Geschichten vom Meer: Ein Kapitän und der Einschlag einer Rakete
Als die Nachricht vom Angriff der Huthi-Terroristen auf einen Großcontainerfrachter von Hapag-Lloyd kam, erinnerte ich mich an einen Kapitän und den Einschlag einer Rakete. Was mir Robert „Bob“ Maringer, ein Seemann aus Osnabrück, vor einiger Zeit erzählte, klingt wie das leicht überspannte Drehbuch eines Actionstreifens.
Seeleute leben gefährlich. Nicht nur wegen Orkanen und Wellen und der Bedrohung durch Piraten in manchen Seegebieten. In unruhigen Zeiten geraten sie in den Sturm politischer Konflikte, für die sie nichts können. Noch immer hängen Dutzende Crews in ukrainischen Häfen fest. Seemannspastoren berichten mir von traumatisierten Matrosen, die im Mittelmeer Flüchtlinge ertrinken sahen und nicht helfen konnten. Und wer aktuell durch das Rote Meer muss, hat garantiert einige Sorgen mit an Bord.
Mitten in der Nacht: Rakete schlägt in Schiff ein
Maringers Geschichte spielt im Persischen Golf, vor der Küste von Saudi-Arabien, im Oktober 1985. Sein Schwergutfrachter, ein umgebautes Containerschiff, hat italienischen Marmor für Kuwait geladen. Es ist kurz nach 23.30 Uhr, als er ein grünliches Blinken in der Nacht über dem Meer entdeckt. Ein Lichtbogen, grünlich leuchtend, der seltsam zu sprühen beginnt. „Was ist denn das?“, denkt Maringer, das Fernglas vor den Augen.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Ein Heulen wird immer lauter. Maringer erkennt ein Projektil, das auf das Schiff zufliegt, etwa vier Meter lang. Das ist eine Rakete! Sie scheint das Schiff zu verfehlen, dreht dann aber und hält auf den Frachter zu. Einschlag! Explosion, das Schiff legt sich auf die Seite.
Woher die Rakete kam bleibt ein Rätsel
Maringer setzt ein „Mayday“ ab und hört, dass sich der aufgeregte Kommandant eines Kriegsschiffs der Saudis über Funk meldet: „Wir sehen ein großes Loch! Gehen Sie besser in die Boote!“ Die Crew aber bleibt an Bord. Lenzpumpen sorgen dafür, dass das Schiff trotz der Schlagseite nicht sinkt und einen Hafen anlaufen kann. Experten finden später heraus, dass es sich um einen französischen Flugkörper mit deutscher Seriennummer handelt. Wer die Rakete abfeuerte? Bis heute ist es ein Rätsel.
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Die Reparatur des Schadens dauert sechs Wochen und kostet die Reederei 1,5 Millionen Dollar. Maringer erfährt, dass ihm ein großer Zwillingskran vermutlich das Leben rettete. Die Rakete suchte sich die stärkste metallische Anziehung und schlug an dessen Position ein, oberhalb der Wasserlinie. Sie wurde noch durch das Wasser eines großen Ballasttanks gebremst. „Als mir klar wurde, wie knapp uns der Tod verfehlt hat, durchlief mich ein Schauer“, sagte Kapitän Maringer. Hätte die Rakete die Brücke getroffen, wie es geplant war, gäbe es diese Geschichte nicht. Mangels eines Erzählers.