Todesangst statt Cocktailparty: Kreuzfahrtriese im Atlantik-Sturm
Als der Sturm seinen Höhepunkt erreicht, gellen Schreie der Angst durch das Schiff. Manche Passagiere schreiben in Panik ihren letzten Willen und Abschiedsbriefe. Viele tragen immerzu ihre sperrige Rettungsweste, weil sie fürchten, dass das Schiff sinkt.
Es ist eine Reise, die vom Süden Englands auf die Kanaren führen sollte, knapp 1000 Passagiere der britischen „Spirit of Discovery“ aber mitten hinein in eine gefühlte Vorhölle bringt.
„Spirit of Discovery“: Wellen sollen bis zu 14 Meter hoch gewesen sein
Das 236 Meter lange Schiff wollte Las Palmas anlaufen, was wegen des schlechten Wetters nicht möglich war. Auch der Nothafen La Coruña in Spanien war wegen des Sturms geschlossen. Also entschied der Kapitän, zurück nach Großbritannien zu fahren – und geriet mitten hinein in den großen Orkan.
Die Wellen der Biskaya, einem in Seefahrerkreisen berüchtigten Gebiet – sollen nach Schilderung der Passagiere bis zu 14 Meter hoch gewesen sein. Handyaufnahmen zeigen, dass das Sicherheitsglas an Balkonen auf Deck 5 zerschlagen ist. Im Bordhospital versorgen der Schiffsarzt und sein Team unterdessen knapp 100 Verletzte.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Sie kommen zu Schaden, als der Kapitän das Antriebssicherheitssystem aktiviert, worauf das Schiff hart nach Backbord dreht und zum Stillstand kommt. Fünf Passagiere erleiden nach Medienberichten schwere Verletzungen, darunter Brüche.
Kreuzfahrten laufen in der Regel unter Sonnenschein und in derart ruhiger See, dass Passagiere gar nicht merken, dass sie auf einem Schiff sind. Kapitäne werden von Agenturen über jedes noch so kleine Tiefdruckgebiet informiert und sie meiden Wind und Wellen wie HSV-Fans das Millerntor. Besonders mit einem Schiff wie der „Spirit of Discovery“, das eine Zielgruppe jenseits der 50 Jahre anspricht.
„Spirit of Discovery“: Ein Eindruck von der echten Seefahrt
Doch mit dem Boom der Branche gibt es immer mehr Angebote, auch im Herbst und in nordeuropäische Fahrtgebiete, in denen es zur Sache gehen kann. Und wenn die Dinge schlecht laufen, dann gibt es pralle Spucktüte statt lässiger Cocktail-Situation. Mit anderen Worten: Die Passagiere des „Spirit of Disovery“ werden nicht die Letzten sein, die eine Fahrt auf der Achterbahn erlebten. Und abseits vom Kreuzfahrt-Schischi einen Eindruck echter Seefahrt bekommen haben.
Vor einigen Wochen kritisierten manche Passagiere den Kapitän der „AIDAnova“ heftig, weil er wegen einer amtlichen Unwetterwarnung der Stufe „Rot“ die Route vor Norwegen geändert hatte. Sie schimpften in den sozialen Medien und wollten von der Rostocker Reederei ihr Geld zurück.