Nachruf auf Johnny Roggendorf: Der Lustigste unter den Letzten
Auch seinen Namen hätte man sich nicht ausdenken können: Kapitän Johnny Roggendorf, wie das schon klingt. Wie ein Held in einem dieser „Anker-Hefte“ aus den 50er-Jahren, als Seemannsabenteuer am Kiosk ein paar Groschen kosteten. „Johnny Roggendorf und der Untergang des Frachters Positano“, oder: „Johnny Roggendorf und die Piraten von Lagos“.
Tatsächlich klang es manchmal wie ein Märchen aus einer anderen Zeit, wenn Johnny, Jahrgang 1942, geboren in Altona, Seemann seit seinem 16. Lebensjahr, von früher erzählte. „Die jungen Kollegen glaubten mir selten“, meinte er mal. „Die dachten doch, ich bin die Abteilung Seemannsgarn.“
Auch das hatte er drauf, und ich kenne keinen Kapitän, der so geschickt erzählen konnte, mit Liebe zu kleinen Details und dem Sinn für eine krachende Pointe im richtigen Moment. Ich erinnere Fotoalben, alte Logbücher, Nachschub an Kaffee – und diesen Schalk in seinen Augen. Das Alter ist für manche Menschen nur eine Zahl.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
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Wenn er beispielsweise vom „schlimmsten Schiff der Welt“ berichtete, einem verrosten Seelenverkäufer namens „Hinrich Peters“, der mit einer versoffenen Crew nach Schweden tuckerte, dann erschien das wie eine Mischung aus Dokumentation der harten Jahre und purer Comedy. „Opa Voss“, der chronisch betrunkene Matrose Schmutzler und ein Klo in der Verschanzung, das bei Wellengang die Kacke zurückwarf.
Johnny war einer der letzten Zeugen einer Epoche, in der Seefahrt echtes Abenteuer bedeutete. Vor dem Zeitalter des Containers, vor den Computern, vor der GPS-Kontrolle, vor der Ausflaggung. Es klang romantisch, wenn Johnny von wilden Nächten in den Hafenbars von Rotterdam berichtete oder von Dschungeltrips in Afrika. Ich bin aber nicht sicher, ob man immer gerne dabei gewesen wäre.
Auf einer Reise geschah sogar ein Mord an Bord
Dann kam der Bruch, die Stahlkisten ersetzten das Stückgut – und alles wurde anders. Deutsche Seeleute fanden keine Arbeit. Der Kapitän aus Buxtehude heuerte bei einer Reederei in Island an, um mit einem viel zu kleinen Schiff Ladung in die USA zu bringen. Oft habe er „die Hose richtig voll gehabt“, aus Furcht vor den Orkanen des Nordatlantiks und Eisbergen, doch einen anderen Weg, seine Familie zu ernähren, sah er nicht mehr.
Auf einer Reise geschah ein Mord an Bord. Der Maschinist erschoss im Suff einen Matrosen, auch eine Hure spielt in der Geschichte ein Rolle. Weil sich die kanadische Polizei im Zielhafen nicht zuständig fühlte, heuerte Johnny einen Privatdetektiv an, damit der Täter nicht entkam.
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Nun ist Johnny Roggendorf in seiner Heimatstadt gestorben, nach langer schwerer Krankheit, die er tapfer ertrug. Ich werde ihn vermissen, ihn, seine Storys und das Blitzen in seinem Blick.
Farewell, mein Held aus dem Groschenroman.