Öl- und Chemikalientanker „Annika“
  • Der 73 Meter lange Öl- und Chemikalientanker „Annika“ brennt nordöstlich von Kühlungsborn (Mecklenburg-Vorpommern) in der Ostsee.
  • Foto: picture alliance / dpa/Stefan Sauer

Ostsee: Ein Warnschuss namens „Annika“

Der Alarm traf um genau 9.14 Uhr am vergangenen Freitagvormittag ein und klang nach einer Katastrophe aus dem Kinofilm: brennender Öltanker, dicht unter der Küste von Mecklenburg-Vorpommern, vermutlich ein Feuer im Maschinenraum.

Um 11.08 Uhr am Samstagvormittag war der Einsatz offiziell beendet. Küstentankschiff „Annika“, 73 Meter unter deutscher Flagge, lag im Überseehafen von Rostock: gelöscht, gesichert, gefahrlos. Was die Männer und Frauen vom Havariekommando aus Cuxhaven geleistet hatten, ging im medialen Dauerbeschuss unter.

Sie verhinderten, dass knapp 640 Tonnen Schweröl an den Stränden von Kühlungsborn, Travemünde und Heiligendamm landeten. Wer in diesem Abschnitt der Küste vom Tourismus lebt oder einfach nur die Natur liebt, bekommt beim Gedanken daran hektische Flecken.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Dass die Havarie glimpflich ausging, liegt am professionellen Handeln einer Einrichtung, die gegründet wurde, weil Behörden versagten. Als im Oktober 1998 der Holztanker „Pallas“ brennend auf die Küste Schleswig-Holsteins zutrieb, reagierte tagelang niemand – und die zuständigen Stellen pimmelfochten um Kompetenzen, bis der Havarist für eine Ölpest sorgte. Das Wrack liegt heute noch vor Amrum.

Eine Kommission untersuchte nicht nur, was schiefgelaufen war, sondern empfahl Lösungen: Das Havariekommando, Teamwork des Bundes und der Bundesländer an der Küste, nahm zu Beginn des Jahres 2003 die Arbeit auf. Wenn seither etwas Großes auf dem Meer brennt, explodiert oder aus dem Ruder läuft, übernehmen die Profis in Cuxhaven.

Mutige Seenotretter brachten sieben Crewmitglieder in Sicherheit

Im Falle der „Annika“ schickten sie schnelle Löschboote und Feuerwehrleute in Hubschraubern. Mutige Seenotretter – ihr Einsatz wurde koordiniert vom „Maritime Rescue Co-ordination Center“, das die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger in Bremen betreibt – brachten sieben Crewmitglieder in Sicherheit. Sie blieben unverletzt.

Schlepper zogen die „Annika“ nach Rostock. Selbst der WWF, nicht als Einrichtung mit Sinn für blumige Worte bekannt, pries das Tempo. Knapp 120 Retter waren insgesamt im Einsatz. Also ein Happy End mit Applaus?

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Die Ostsee ist eines der meistbefahrenen Meere der Welt, auf dem täglich knapp 2000 große Schiffe unterwegs sind, darunter auch Supertanker mit deutlich mehr als 640 Tonnen Schweröl an Bord. Was, wenn die Retter nicht so schnell zur Stelle sein können, etwa in internationalen Gewässern?

Umweltschutzorganisationen fordern eine Art Havariekommando für den gesamten Ostseeraum, getragen von den Anrainerstaaten. Zum Schutz eines Ökosystems, das ohnehin kurz vor dem Kollaps steht. Und auch als Versicherung für Tausende Jobs und Existenzen an den Küsten. Die Havarie der „Annika“ ist mehr als eine Heldengeschichte.

Sie ist auch eine Warnung.

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