Königstuhl in Rügen

Kreidefelsen von Rügen: Ist der eigene Untergang schöner, wenn er in Schwarz-Rot-Gold daherkommt, fragt sich unser Kolumnist. Fischer wie der mit dem speziellen Greenpeace-Sticker dürften eventuell AfD gewählt haben. Foto: picture alliance / Jochen Tack

Viel Zustimmung für die AfD: Rügen ist ein großer Sadomaso-Club im Meer

Vielleicht ist der Osten einfach nur ein riesiger Sadomaso-Club, ein Fetisch-Kollektiv, das von einer Mauer träumt. Ich meine das gar nicht polemisch, denn die Ergebnisse der Bundestagswahl, am Beispiel der Insel Rügen, lassen bei logischer Betrachtung kaum einen anderen Schluss zu.

Die AfD steht für Fremdenfeindlichkeit, für den EU-Austritt, für einen NATO-Austritt, für eine Sozialpolitik auf Kosten sozial Schwacher und sie leugnet den menschengemachten Klimawandel. Das steht alles im Wahlprogramm, das ich gelesen habe.


Stefan Kruecken hfr
Stefan Krücken

Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.

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Wähler auf Rügen haben es offenkundig nie gesehen oder nur diese Kacheln auf Facebook, denn in einigen Gegenden der Insel gaben mehr als 50 Prozent (!) der AfD ihre Erststimme.

Rügen lebt von Fremden – und zeigt, dass es Fremde nicht mag

Eine Insel, die von Fremden lebt, zeigt damit der ganzen Welt, dass sie Fremde nicht mag. Eine Insel, die etliche Millionen Euro aus Förderprogrammen der EU bezog, will raus aus der EU. Eine Insel, die als strukturschwach gilt und zu Recht über Ungleichheit klagt, wählt eine Partei, die Arme ärmer und Dritthausbesitzer noch reicher macht.

Eine Insel, die als Allererste von einem Krieg mit Russland betroffen wäre, will raus aus der NATO. Eine Insel, deren Bewohner spüren, was der Klimawandel anrichtet, wählt eine Partei, die diese Realität nicht anerkennt und sich über Gegenmaßnahmen lustig macht.

Ach so, klar, die Migrationsproblematik, die „Messermänner“ und Merkels „Fachkräfte“. Rügen hat einen Ausländeranteil von knapp 6,3 Prozent – und der macht morgens die Hotelbetten.

Das alles ist in Summe dann so sinnvoll, als schmeiße man eine Handvoll Möwenscheiße in einen laufenden Ventilator.

Gepflegt miese Laune wie in DDR-Filmen

Ich mag Rügen. Besonders am wilden Kap Arkona, im alten Zug „Rasender Roland“ oder auf dem feinen Sand von Sellin. Doch ich bin zuletzt nicht mehr gerne hingefahren. Gepflegt miese Laune wie in DDR-Filmen, dafür merkwürdige „Freiheits“-Sprüche in Speisekarten, deshalb kann man auch so gut wie nirgendwo mit Karte zahlen. Freiheit, klar, Bargeld-Rebellen. Im Kiosk an der Strandpromenade entdeckte ich dafür Literatur, die auch der Verfassungsschutz mit Interesse liest.

Was ist los auf Rügen? Ist es eine trotzige Freude am Kaputtmachen? Ist der eigene Untergang wirklich schöner, wenn er schwarz, rot und gold verhüllt ist? Ist es die Wut über LNG-Terminals oder die Windräder, wie ich las? Oder hofft man auf Höcke, damit Prora wieder eine Zukunft hat.

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Als Gast ist mir das alles egal, denn im Urlaub möchte ich Freude und das Gefühl, willkommen zu sein. Und ich möchte mein Geld nicht bei Leuten lassen, die SS-Verharmloser und rechtsextreme Kretins in den Bundestag schicken.

Ich fürchte für Rügen, dass es vielen anderen auch so geht.

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