Von der Courage einer Schlepper-Crew
Im Hafen gibt es Jobs, über deren Bedeutung kaum jemand nachdenkt, zumindest, solange kein Unglück geschieht. Die Crews der Schlepper, nehmen wir mal die. Sie sorgen dafür, dass die großen Schiffe, beladen mit Tausenden Containern oder Abertausenden Schüttgütern, sicher an die Kais kommen.
Sie sind zur Stelle, wenn ein Sturm über den Norden zieht und Festmacherleinen zu brechen drohen. Sie sind eine Art Lebensversicherung, wenn ein großes Schiff auf der Elbe ein Maschinenproblem meldet. Mehr als 20 starke Schlepper stehen im Hamburger Hafen ständig bereit.
Schlepper-Crew verhinderte eine Katastrophe, wie jetzt herauskommt
Wie elementar ihre Aufgaben sein können, zeigt ein Vorfall aus dem hohen Norden. Der mutige Einsatz einer Schlepper-Crew verhinderte im Hafen von Reykjavik vor ziemlich genau einem Jahr eine Katastrophe, wie nun die veröffentlichte Untersuchung der Behörden zeigen.
Der Autor: Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie „Max“, „Stern“ und „GQ“ von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“ gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. Weitere Bücher gibt es im Ankerherz-Shop – zum Beispiel „Das kleine Buch vom Meer – Helden“ oder „Mayday – Seenotretter über ihre dramatischsten Einsätze“.
Alle aktuellen Folgen dieser Kolumne finden Sie hier.
Das Kreuzfahrtschiff „Norwegian Prima“ wollte am Abend des 26. Mai aus dem Hafen auslaufen, 300 Meter lang, vermessen mit wuchtigen 143.535 Bruttoregistertonnen. Auf der Brücke: ein junger Kapitän aus Panama, zum ersten Mal auf Island. Der Wetterbericht meldete neun bis zehn Beaufort, und der Lotse entsprechend Bedenken an. Doch der Kapitän ließ sich trotz einer Warnung nicht dazu bewegen, die Abfahrt zu verschieben.
Um 21:50 Uhr legte die „Norwegian Prima“ ab. Der Kapitän drehte – und genau in diesem Moment erfasste eine Orkanböe das Schiff. Wegen der enormen „Segelfläche“ drückte der Sturm das Schiff aus der Fahrrinne heraus. Es überfuhr eine Boje. Im Unfallbericht der Behörden steht, dass es bis auf zehn Meter (!) an Felsen herankam, die mit einer Tiefe von 0,4 Meter kartiert sind.
Die „Norwegian Prima“ aber hat einen Tiefgang von 8,70 Metern.
Genau hier eilte die Besatzung des Schleppers „Magni“ zur Hilfe. Die Crew realisierte, dass etwas nicht stimmte – und handelte sofort. Mit allem, was die Maschine hergab, drückte die „Magni“ das große Schiff in die Fahrrinne zurück. Dabei wurde die Leistungsfähigkeit anscheinend sogar überschritten – im Unfallbericht der Behörden ist in der Folge von „leichten Schäden“ die Rede.
Auflaufen auf einen Felsen wurde verhindert
Der Besatzung gelang es mit dem Manöver, das für sie auch nicht ungefährlich war, ein Auflaufen des Riesen auf die Felsen zu verhindern. Was dies für den Hafen und die Umwelt von Island bedeutet hätte?
Das könnte Sie auch interessieren: Diesen Elbstrand haben Sie ganz für sich allein
Noch etwas kam bei den Untersuchungen heraus. Das Kreuzfahrtschiff hatte Reykjavik nach einer achttägigen Reise im Nordatlantik erreicht. Aus dem Bericht geht hervor, dass der Kapitän mehr aufbereitetes Abwasser als üblich in den Fäkalientanks aufbewahrte, um die Stabilität in rauer See zu verbessern. In den Tanks war noch Platz für genau zwei Hafentage.
Die Ermittler vermuten, dass der begrenzte Tankraum die Entscheidung zum Auslaufen beeinflusst haben könnte. Eine Entscheidung, Geld zu sparen, wäre ohne die Courage der Schlepper-Crew sehr teuer geworden.