Man sieht die junge Semra Ertan auf einem Stein sitzen, das Foto ist schwarz/weiß.

Semra Ertan war 15, als sie mit ihren fünf Schwestern nach Deutschland kam. Foto: Morgenpost Verlag GmbH

43 Jahre nach politischem Suizid: Platz auf St. Pauli wird nach Semra Ertan benannt

Mehr als vier Jahrzehnte nach ihrem Tod wird Semra Ertan, die sich 1982 aus Protest gegen Rassismus selbst verbrannte, in Hamburg offiziell geehrt. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hat am 13. Februar 2025 entschieden, den Platz zwischen Detlev-Bremer-Straße und Clemens-Schultz-Straße in St. Pauli nach ihr zu benennen –  nur 100 Meter entfernt von der Stelle, an der sich die damals 24-Jährige selbst in Flammen setzte.

Bereits zuvor hatte die „Initiative in Gedenken an Semra Ertan“ Gedenkveranstaltungen durchgeführt und an der Stelle ein inoffizielles Straßenschild angebracht. Doch eine offizielle Benennung wurde wegen einer „Gefahr vor Nachahmungstaten“ abgelehnt.

Die Bezirksfraktion Hamburg-Mitte der Linken bewertet dies als „entwürdigend gegenüber der Bedeutung Semra Ertans für die Stadt Hamburg und für einen Affront gegenüber migrantischen und rassifizierten Communities.“ Nun hat die Bezirksversammlung sich doch dazu entschlossen, an Ertans Schicksal mit einem Platz auf St. Pauli zu erinnern. Das Staatsarchiv und die Senatskommission müssen der Namensgebung noch zustimmen.

Der tragische Protest von Semra Ertan

„So sehr wir uns freuen, dass dieser Schritt endlich gelungen ist, so sehr bedauern wir aber auch, dass es so viele Jahre gedauert hat“, heißt es weiter von der Fraktion.

Ein inoffizielles Schild weist den Semra-Ertan-Platz aus – die Initiative forderte seit langem eine Umbenennung. Marius Röer
Man sieht ein blaues Straßenschild mit der Aufschrift „Semra-Ertan-Platz“, dahinter ein Wohnhaus, im Erdgeschoss das Café Miller.
Ein inoffizielles Schild weist den Semra-Ertan-Platz aus – die Initiative forderte seit langem eine Umbenennung.

Semra Ertan wurde 1957 in der Türkei geboren und kam 1971 nach Deutschland, wo ihre Eltern als Gastarbeiter lebten. Sie arbeitete als technische Zeichnerin und Dolmetscherin und schrieb über 350 Gedichte über Migration, Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit.

Der Suizid der jungen Türkin und ihr literarisches Erbe

Am Abend des 25. Mai 1982 rief Ertan beim NDR und ZDF an, las ihr Gedicht Mein Name ist Ausländer vor und forderte, dass Ausländer nicht nur das Recht haben sollten, wie Menschen zu leben, sondern auch wie Menschen behandelt zu werden. Medienberichten zufolge kündigte sie dabei auch ihren Suizid durch Selbstverbrennung an und erklärte ihr Motiv. Am Morgen ihres 25. Geburtstags setzte sie sich selbst in Brand. Sie starb zwei Tage später. Ihr Tod löste bundesweit Entsetzen aus.

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Semra Ertans literarisches Erbe bleibt bis heute präsent. 2020 erschien ihr Gedichtband Mein Name ist Ausländer | Benim Adım Yabancı, der ihre Texte einem breiteren Publikum zugänglich machte.


Hilfe in schweren Stunden

Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Hier finden Sie Beratungs- und Seelsorgeangebote:

Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an junge Menschen. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Samstags nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de

Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Viele sprechen Türkisch. mutes.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Unter suizidprophylaxe.de gibt es eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland.


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