Abschaffung gefordert: Bringt das Dieselverbot in Hamburg überhaupt etwas?
Seit 2018 gelten in der Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee Dieseldurchfahrtsbeschränkungen. Damit soll giftiges Stickstoffdioxid (NO2) eingedämmt und ein Grenzwert von unter 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht mehr überschritten werden. Dies ist in diesem Jahr laut aktuellen Zahlen gelungen – die Hamburger CDU fordert nun die Aufhebung des Dieselverbots. Auch eine neue Studie stellt die Wirksamkeit der Durchfahrtsbeschränkungen in Frage.
Noch liegen zwar nicht der abschließende Jahresmittelwert vor, doch laut Zahlen der Umweltbehörde liegt der Grenzwert aktuell bei 35 in der Stresemannstraße und bei 37 in der Max-Brauer-Allee. „Aufgrund der besonderen Corona-Lage in diesem Jahr sind diese Werte allerdings nur bedingt aussagekräftig, da es 2020 zum Beispiel wegen mehr im Homeoffice arbeitenden Menschen einen allgemeinen Verkehrsrückgang gab“, so ein Sprecher der Umweltbehörde zur MOPO.
Dieselfahrverbot in Hamburg: Grenzwert wird erfüllt
In einer Antwort des Senats auf eine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Stephan Gamm heißt es jedoch: „Der derzeit vorliegende gleitende Jahresmittelwert unterschreitet 40 µg/m³, womit sich diese Maßnahmen als wirksam und angemessen erwiesen haben.“ Man wolle eine Entscheidung über das Fortbestehen des Dieselfahrverbots aber erst Anfang 2021 treffen, wenn alle Daten vorlägen. Da die Umweltbehörde jedoch von „bedingt aussagekräftigen“ Werten wegen Corona spricht, ist wohl davon auszugehen, dass das Dieselverbot bleiben wird.
Die CDU fordert eine Aufhebung des bisherigen Durchfahrtverbots, weil die Grenzwerte unterschritten wurden. „Für die CDU-Fraktion steht damit fest, dass die Fahrverbote spätestens Anfang des Jahres wieder aufgehoben werden müssen. Dies ist das Mindeste, was der Senat tun kann, nachdem das Versprechen des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz vom Juli 2016 krachend gebrochen wurde“, so Gamm. Der heutige Finanzminister Scholz (SPD) hatte sich 2016 gegen öffentlich gegen Fahrverbote ausgesprochen.
Umweltbehörde fährt fährt keine modernen Dieselfahrzeuge
In Hamburg gibt es rund 326.000 Dieselfahrzeuge, fast 160.000 erfüllen die Abgasnorm 6 nicht und sind damit vom Fahrverbot in der Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee betroffen. „Kurioserweise erfüllt noch immer kein einziges Fahrzeug, der für die Fahrverbote verantwortliche Behörde von Senator Kerstan diese Abgasnorm“, so Gamm. Tatsächlich verfügt die Umweltbehörde um Senator Jens Kerstan (Grüne) über neun Fahrzeuge, die allesamt nicht die moderne Diesel-Norm aufweisen.
Die Evaluation der Wirksamkeit des Dieselverbots gestaltet sich zudem ohnehin schwer. Nicht nur wegen des Corona-Jahrs, sondern auch weil eine reine Betrachtung der gemessenen Schadstoff-Zahlen in Kombination mit der Einführung des Dieselverbots keine kausale Schlussfolgerung zulässt. Schließlich hat Hamburg zur Luftreinhaltung ein ganzes Maßnahmenpaket geschnürt, das nicht nur aus dem punktuellen Dieselverbot besteht. Die Umweltbehörde verweist zwar auf die zurückgegangene NO2-Belastung, „messtechnisch ist es jedoch nicht möglich die Wirkung der Dieseldurchfahrtbeschränkungen getrennt von anderen Maßnahmenwirkungen zu erfassen”.
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An der Universität Hamburg wurde genau zu der Evaluationsproblematik des Dieselfahrverbots eine Studie veröffentlicht, die das Dilemma der Politikmaßnahme noch einmal aufzeigt.
Studie: Wirkung des Dieselfahrverbots schwer zu ermitteln
Professor Dr. Wolfgang Maennig und sein Doktorand Eren Aydin haben anhand verschiedener Regressionsmodelle die Wirkung des Dieselfahrverbots untersucht. Dabei kommen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen, die nicht immer eine Wirkung feststellen.
„Es kommt darauf an, welcher Beobachtungszeitraum gewählt wird und welche Kontrollvariablen zur Untersuchung einbezogen werden – und mit welchen anderen Mess-Stationen man vergleicht“, so Maennig zur MOPO. Vermutlich kam es jedoch zu einer einmaligen Absenkung der Schadstoff-Werte. Ein nachhaltig anhaltender Effekt sei aber nicht festzustellen. Wirklich aussagekräftig ist die einmalige Absenkung ohnehin nicht: „Die alten Diesel-Fahrzeuge verschwinden ja nicht von heute auf morgen aus der Stadt. Die Autofahrer dürften gezwungenermaßen andere Wege nehmen, wo sie dann weiterhin Schadstoffe produzieren“, so Maennig.
Ob die Belastung in den umliegenden Straßen gestiegen ist, kann man nicht beantworten. Es gibt dort keine Messstationen.