„Affront gegen die Menschen“: Architektenkammer wehrt sich gegen neue Paloma-Pläne
Fast elf Jahre sind vergangen, seit Abrissbagger die ehemaligen „Esso-Hochhäuser“ mitten auf dem Kiez plattgemacht haben. Inzwischen sollte an dieser Stelle eigentlich schon längst das neue Paloma-Viertel stehen, aber immer noch klafft am Spielbudenplatz eine riesige Baulücke. Nach Jahren des Stillstands haben die städtische Wohnungsgesellschaft SAGA und Quantum Immobilien kürzlich das Projekt übernommen und ihre neuen Pläne vorgestellt. Diese stoßen jedoch bei der Hamburgischen Architektenkammer auf heftigen Widerstand.
„Wir sind zutiefst beunruhigt darüber, dass die Stadt Hamburg offenbar nicht die Planungen umsetzen will, die bereits erarbeitet wurden“, heißt es in einem gemeinsamen Statement der Hamburgischen Architektenkammer, des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten, des Architekten- und Ingenieurverein Hamburg, der Bundesvereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung Hamburg sowie des Hamburger Landesverbandes vom Bund Deutscher Landschaftsarchitekten.
Pläne für Paloma-Viertel wurden im Jahr 2015 vorgestellt
Denn die im Jahr 2015 vorgestellten Paloma-Pläne klangen vielversprechend: 200 günstige Mietwohnungen, kleine Geschäfte und Werkstätten, ein Hotel inklusive eines öffentlich zugänglichen Dachs, eine Stadtteilkantine als sozialen Treffpunkt und eine Fläche für den Musikclub „Molotow“.
Das Besondere an diesem Vorhaben: In diese Entwürfe waren insgesamt 2300 Ideen der Kiez-Bewohner eingeflossen, die von der Initiative „Planbude” gesammelt worden waren. Das Ergebnis war der „St. Pauli Code”, der einen Spagat zwischen den Profitinteressen des ehemaligen Investors Bayerische Hausbau und dem Erhalt der Stadtteilidentität schaffen sollte.
Doch dann nahm alles eine unerwartete Wendung. Im August 2023 bot die Bayerische Hausbau der SAGA plötzlich das unbebaute Paloma-Grundstück zum Kauf an. Über ein Jahr später konnte der Deal dann besiegelt werden. Die Zahl der Wohnungen wurde von 200 auf 164 reduziert, die Größe des Hotels verdoppelte sich wiederum fast von 180 auf 350 Zimmer. Das öffentliche Dach mit Kletterfassade, Gärten und Skateboard-Fläche fällt komplett weg.
„All dies ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar“, heißt es jetzt von den Architektenvereinigungen. „Es war Konsens von Senat und Bezirk, dass dieser in jahrelanger Arbeit entstandene St. Pauli-Code Grundlage für das Projekt ist.“ Von den bisherigen Planungen abzurücken sei ein „Affront gegenüber den Menschen auf St. Pauli“.
Architektenkammer fordert Senat zum Handeln auf
Sie fordern außerdem den Senat auf, die neuen Eigentumsverhältnisse und den aktuellen Stand der Neuplanungen transparenter zu machen und die ursprünglichen Pläne umzusetzen. „Bei notwendigen einzelnen Umplanungen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen sind diese öffentlich zu erläutern und nachvollziehbar zu begründen.“
Das könnte Sie auch interessieren: Nach „Paloma“-Durchbruch am Kiez: Das erhoffen sich die ehemaligen Esso-Mieter
Auch die Initiative Planbude hatte sich bereits tief enttäuscht über die neuen Pläne gezeigt. „Der neue Entwurf wird dumm, brutal und teuer“, hieß es in einer Erklärung. Es entstehe ein utilitaristischer Riesenklotz ohne Nachbarschaftsbezug, „entworfen von ChatGPT auf Basis einer Exceltabelle“.
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.