Amoklauf in Hanau: Meinung: Die AfD liefert den Nährboden des braunen Terrors
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Es ist neun Monate her, dass der hessische Regierungspräsident Walter Lübke von Rechtsradikalen ermordet wurde. Es ist drei Monate her, dass ein Neonazi in Halle bei einem Terroranschlag zwei Menschen erschoss. Und es ist gerade eine Woche her, dass zwölf Mitglieder und Unterstützer der rechtsextremen „Gruppe S.“ verhaftet wurden – gerade noch rechtzeitig, bevor sie damit beginnen konnten, durch Anschläge auf Moscheen, Asylbewerber und Politiker „bürgerkriegsähnliche Zustände“ in unserem Land herbeizuführen.
Jetzt deutet alles darauf hin, dass Tobias R., der für die furchtbare Mordserie in Hanau verantwortlich ist, ebenfalls rassistische und rechtsradikale Motive hatte. Spätestens jetzt muss auch denen, die es vorher nicht wahrhaben wollten, klar sein: Deutschland ist heute zum Zentrum eines neuen Rechtsterrorismus geworden.
Auch der Mann, der in Hanau Shisha-Bars überfiel und dort neun Menschen mit Migrationshintergrund ermordete, schwadroniert in seinem Bekennerschreiben von Herrenrasse, Überfremdung und minderwertigen Völkern, die auszulöschen sind. Äußerlich unauffällig und juristisch unbescholten offenbart der 43-jährige eine ebenso wirre wie monströse Weltsicht.
Lange schien es, als tauschten die Neonazis hierzulande ihre völkische Blut-und-Boden-Ideologie vor allem in Hinterzimmern und dubiosen Internetforen aus. Jetzt schreiten sie zur Tat. Fanatische Einzelgänger genauso wie generalstabsmäßig planende Terrorgruppen.
Warum das ausgerechnet jetzt passiert? Weil die Stimmung in einem Teil von Deutschland gekippt ist. Weil eine wachsende Zahl von klammheimlichen und ganz offenen Sympathisanten den Fanatikern insbesondere in den sozialen Netzwerken suggerieren: Ihr seid nicht mehr alleine! Weil in fast allen Parlamenten der Bundesrepublik mittlerweile Politiker sitzen, die vom „Volkstod durch Bevölkerungsaustausch“ faseln, die dazu aufrufen politische Gegner „zu entsorgen“, die von „wohltemperierten Grausamkeiten“ träumen, damit Deutschland wieder richtig deutsch wird.
All das lässt sich in den immer schamloseren Reden und Büchern von Gauland, Höcke und Konsorten nachlesen. Damit liefert die AfD den Nährboden, auf dem das Virus von Hass und Gewaltbereitschaft bestens gedeiht. Es sind die gleichen Rechtfertigungen, die rechtsradikale Terroristen nach ihren Mordtaten in bizarren Pamphleten und Videos verbreiten.
Wenn völkisches Gedankengut 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder gesellschaftsfähig erscheint, fühlen sich Möchtegern- „Herrenmenschen“ ebenso wie „Reichsbürger“ oder verbohrte und verbitterte Einzelgänger ermutigt, aus ihren finsteren Gedankenwelten an die Oberfläche zu kommen – als Teil einer Bewegung, als militärischer Arm einer rechtsextremen Politik. Sie sind tatsächlich davon überzeugt: Wir müssen uns wehren, bevor Deutschland untergeht.
Viele Politiker haben am Donnerstag klare Worte zu dem Terror von Hanau und dessen Wegbereitern gefunden. So betonte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, dass solche Taten „nicht im luftleeren Raum passieren. Sie wachsen in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima, in dem auf übelste Weise Fremdenfeindlichkeit und abwegigste Verschwörungstheorien geschürt werden.“
Und was sagen diejenigen, die den Hass wieder und wieder gezielt geschürt haben? Björn Höcke fragte mit Unschuldsmiene: „Was sind das für Menschen, die so was tun?“ Sein Parteikollege Jörg Meuthen lieferte umgehend die Antwort: „Das ist weder rechter noch linker Terror, das ist die wahnhafte Tat eines Irren.“ Statt das politisch zu instrumentalisieren, solle man lieber „gemeinsam mit den Angehörigen um die Opfer trauern“.
Das ist an Zynismus kaum noch zu unterbieten. Doch es geht auch noch ein paar Etagen tiefer. Der Augsburger AfD-Kreisverband schrieb zu dem rechten Terror von Hanau auf Facebook: „Deutschland auf dem Weg zum Multikulti-Drecksloch. Alle zurück. Deportieren!“ Während am Tatort die Spurensuche noch läuft, tobt auf den Webseiten dieser Partei die Hetze gegen Migranten heftiger denn je.
Heute ist es ein Gebot von Pietät und Respekt, der Toten von Hanau zu gedenken. Aber dann muss endlich etwas passieren im Kampf gegen den eskalierenden Rechtsextremismus in diesem Land. Und im Kampf gegen diejenigen, die ihm bislang ungestraft und ohne jede Konsequenzen den Boden bereitet haben.