Armut und Gewalt: Hamburg: Wie Corona die Not im Rotlichtviertel verschärft
Ein Zuhälter sticht einen Freier nieder, weil es Streit um den „Liebeslohn“ für eine Hure gab: Die Tat von Sonnabend wirft ein Schlaglicht auf die Probleme, mit denen Prostituierte in Hamburg derzeit zu kämpfen haben. Ihre Möglichkeiten, legal Geld zu verdienen, sind wegen der Corona-Pandemie und des deswegen verhängten Kontaktverbots stark eingeschränkt. Etliche Huren sind trotzdem gezwungen, anschaffen zu gehen – oder werden sogar von Zuhältern gezwungen.
Kein Einkommen mehr: Um zu überleben, sehen viele Prostituierte keinen anderen Ausweg, als trotz des Kontaktverbots ihrer Arbeit nachzugehen. Corona-Soforthilfe kommt für sie nicht infrage. Denn die meisten Huren machen keine Steuererklärung, können daher den für einen Antrag geforderten Nachweis der Einnahmen nicht erbringen.
Hamburg: Huren werden gezwungen, anschaffen zu gehen
„Ich war schon beim Sozialamt, aber ich muss die Zwischenzeit überbrücken. 430 Euro soll ich bekommen“, sagt Mary (34), die seit Wochen auf den lang ersehnten Bescheid wartet.
Die 34-Jährige war neun Jahre lang in verschiedenen Modellwohnungen tätig. Seit Corona empfängt sie Freier in ihrer Privatwohnung in Tonndorf. „Ich habe ständig Schiss, dass es dem Nachbarn auffällt und er die Polizei ruft.“
Ähnlich geht es der Bulgarin, die sich Franca nennt. Sie kam erst im vergangenen Dezember nach Hamburg, hoffte, in Billigpuffs anschaffen und etwas Geld verdienen zu können. Sie lebt in einem Zimmer eines schäbigen Harburger Bordells. Zurück kann die 22-Jährige derzeit nicht. „Ich empfange auf telefonische Nachfrage zwei bis drei Freier am Tag, um mir Lebensmittel kaufen zu können“, sagt sie. Ihre Stimme zittert. „Ich habe keine andere Wahl“, fügt sie hinzu.
Huren wie Mary und Franca bieten ihre Dienste noch immer in einschlägigen Foren im Internet an. Die Seiten sind noch immer aktiv. „Adresse sage ich dir am Telefon“, heißt es in vielen Inseraten – um der Justiz eine Strafverfolgung zu erschweren.
Auch auf dem Billigstrich in St. Georg wird weiter angeschafft, aber nicht mehr – wie sonst üblich – in Gruppen und ganz offensiv: Die Huren verstecken sich in Hauseingängen. Die Kontaktaufnahme erfolgt telefonisch, getroffen wird sich in den Fluren der Stundenhotels.
Fachberatungsstelle Hamburg: „Frauen werden erpressbarer“
Doch viele Prostituierte können nicht einmal selber entscheiden, wie sie mit ihrer Situation umgehen: Sie werden von Zuhältern gezwungen, anschaffen zu gehen. Sie werden durch die Stadt kutschiert, um sich mit Freiern in deren Wohnungen zu treffen. Weil sich die Nachfrage derzeit in Grenzen hält, nehmen die Zuhälter für ihre Huren jeden Auftrag an – und lassen sich dabei von Freiern sogar beim Preis runterhandeln.
Dass man mit solchen Kutschierfahrten nicht nur Ärger mit der Polizei bekommen kann, zeigt ein Fall vom vergangenen Wochenende: In der Nacht zu Sonntag hatten zwei Männer jeweils eine Hure zu sich nach Hause bestellt. Doch dann gab’s Zoff, als es ums Bezahlen ging. Die Folge: Der Zuhälter stach einen der Freier nieder. Die Kripo ermittelt.
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Die Polizei legt in Corona-Zeiten den Schwerpunkt ihrer Arbeit nicht auf die Aufklärung verdeckter Prostitution. Toleriert werden solche Vergehen aber nicht. Wenn Hinweise eingehen oder sich welche aus schon vorhandenen Ermittlungen ergeben, gehe man ihnen nach, so eine Sprecherin zur MOPO. Es sei aber schwierig, verdächtige Inserate auf Portalen herauszufiltern.
Altona: Zuhälter sticht Freier nieder – wegen Geld-Ärgers
Solange die Corona-Pandemie andauert, stehen die Huren unter Druck. Die, die jetzt noch arbeiteten, seien besonders verletzlich, erklärt Lonneke Schmidt-Bink vom „Frauentreff Olga“ in Berlin: „Es bleiben die, die obdachlos, suchtkrank, psychisch krank oder mittellos sind.“