• Ein Blick ins Innere des „Clochard".
  • Foto: Florian Quandt

Aus wegen Corona-Krise?: Geschlossen! Das Rätsel um Hamburgs kultige Kiezkneipe

Auf dem Kiez genießt „Der Clochard“ Legenden-Status, doch jetzt gibt die sagenumwobene Kneipe Rätsel auf. Seit dem Frühjahr ist die urige Spelunke an der Reeperbahn geschlossen – und viele fürchten, dass sie ihre Pforten nie wieder öffnen wird.

Die Sorgen auf St. Pauli sind groß. Seit Wochen schon kursiert das Gerücht, dass die selbsternannte „billige Kneipe auf der Meile“ vor dem Aus steht. Dabei wird hier seit 1983 rund um die Uhr gebechert und gefeiert – 365 Tage im Jahr. Ob auf dem kneipeneigenen Balkon oder am rustikalen Tresen, hier hat wohl jeder Kiezgänger schon mal ein Bier getrunken und dabei eines der deftigen Schmalzbrote verputzt.

Die Kult-Kneipe „Der Clochard“ steht offenbar vor dem Aus.

Die Kult-Kneipe „Der Clochard“ steht offenbar vor dem Aus.

Foto:

Patrick Sun

Hamburg: Kult-Kneipe „Der Clochard“ hat geschlossen

Dann kam das Coronavirus. Hamburgs Senat ordnete im März an, dass Gaststätten wegen des Infektionsschutzes schließen müssen. Seit Mitte Mai dürfen Kneipen inzwischen wieder öffnen – doch der „Clochard“ blieb zu. Wer in der Kneipe anrief, erreichte anfangs nur ein Band. Inzwischen ist die Telefonnummer gar nicht mehr verfügbar. Auch die Internetseite ist offline, die Domain wurde am 27. April gelöscht. Und vor Ort? Da sind die Türen geschlossen.

War’s das mit der kultigen Kiez-Kneipe? In der Nachbarschaft heißt es zumindest, dass der Laden nie wieder öffnen wird. Auch gut vernetzte Akteure in dem Stadtteil berichten gegenüber der MOPO, dass der „Clochard“ die Corona-Krise nicht überstanden hat. Viel verweisen auf Bekannte und Freunde, die dort regelmäßig ein, zwei Bierchen getrunken hätten und nun schon seit Wochen auf andere Kneipen ausweichen müssten. Die Anzeichen für eine Kneipen-Pleite verdichten sich. Eine offizielle Bestätigung dazu gibt’s jedoch nicht – weil der Eigentümer quasi unauffindbar und selbst in der Nachbarschaft nicht bekannt ist.

Hamburg: Der „Clochard“ hat einen neuen Inhaber

Der Grund: Erst seit Anfang April ist eine neue Person für die Kneipe verantwortlich. Gewerbe-Inhaber und Hauptmieter des gesamten Gebäude-Komplexes Reeperbahn 27/29 ist ein Unternehmen, dessen Name der MOPO bekannt ist, aus Quellenschutzgründen aber geheim bleibt. Eben jenes Unternehmen hat am 8. April einen neuen Geschäftsführer erhalten, wie aus einer Handelsregisterbekanntmachung hervorgeht. Der bisherige Chef Peter Meier (echter Name ist der Redaktion bekannt) ist in der Vergangenheit mit seinen Geschäften bereits auf dem Kiez angeeckt.

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Der neue Chef Norbert Jacobsen (echter Name ist der Redaktion auch hier bekannt) ist hingegen eine Art Phantom, das nur per Post zu erreichen ist und auf MOPO-Anfragen nicht reagiert. Bekannt ist, dass Jacobsen nicht aus Hamburg kommt und am 28. April in einer weiteren Firma als Geschäftsführer bestellt wurde.

Hamburg: Bezirk könnte „Clochard“ Erlaubnis entziehen

Derweil muss Jacobsen als neuer „Clochard“-Chef nachweisen, dass er als Kneipen-Inhaber auch geeignet ist. Nach MOPO-Informationen hat das Bezirksamt Hamburg-Mitte seine Firma bereits zweimal dazu aufgefordert, die erforderlichen Unterlagen für die sogenannte Zuverlässigkeitsprüfung vorzulegen.

Ein formaler Akt, mehr nicht. Eigentlich. Dass Jacobsen diese Unterlagen bislang nicht bereitgestellt hat, sorgt jedoch für Fragezeichen. Das Amt wird nur noch einmal die Unterlagen anfordern – als nächstes würde dann mit einer Stilllegung des Betriebs gedroht und in einem letzten, finalen Schritt der Betrieb untersagt.

Hamburg: „Clochard“-Inhaber zahlt keine Miete mehr

Gut möglich, dass es dazu nicht mehr kommen wird – weil der Gebäude-Eigentümer dem Hauptmieter jetzt fristlos gekündigt hat. „Dieser hat bereits im Februar dieses Jahres sämtliche Mietzahlungen eingestellt“, sagt Matthias Petrausch, Anwalt des Immobilien-Eigentümers. Auch er und sein Mandant hatten versucht, Kontakt zum Hauptmieter aufzunehmen, jedoch erfolglos. „Dies sind alles Anzeichen für eine sogenannte Insolvenzverschleppung“, so Petrausch.

Das graue Gebäude in der Mitte beherbergt die Kneipe „Der Clochard“.

Das graue Gebäude in der Mitte beherbergt die Kneipe „Der Clochard“.

Foto:

Sun

Unterdessen fordert der Anwalt in einem Haus-Aushang mögliche Bewohner der Immobilie auf, das Gebäude zu verlassen, ansonsten drohe eine Zwangsräumung. Harte Worte, die offenbar schärfer klingen, als sie gemeint waren. „Für meine Mandantschaft kann ich ausdrücklich  mitteilen, dass diese offen für Gespräche mit den Nutzern des Hauses ist. Es soll eine einvernehmliche Lösung gefunden werden“, so Petrausch.

Das gelte auch für das „Clochard“, das mit einem neuen Eigentümer möglicherweise wieder eine Zukunft hat.

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