Kritik: „Der Afrikaner, der kann das nicht!“
Klar, über den Holocaust weiß so gut wie jeder Schüler Bescheid. Aber deutsche Kolonialgeschichte? Das namibisch-deutsche Theaterstück „Hereroland“ nähert sich dem weißen Fleck im Geschichtsbewusstsein. Eindrucksvoll.
„1884 wurde dann die deutsche Flagge gehisst, Kanonengeschütze – Deutsch-Südwestafrika war gegründet“, so ertönt die Stimme eines älteren Herrn aus dem Off. Stolz schwingt mit darüber, was seine Vorfahren geleistet haben in diesem „ach so primitiven Land“!
Das Ensemble besteht zu gleichen Teilen aus deutschen und namibischen Künstlern, letztere alle Hereros. Die Deutschen hatten im Vorfeld Namibia besucht, auf Spurensuche. Nach dem Völkermord der deutschen Besatzer am Volk der Herero.
Diese Erfahrungen spiegeln sich im ungewöhnlich inszenierten Stück. Ungewöhnlich, weil immer wieder wild zwischen Englisch und Deutsch gewechselt wird, immer mit projizierten Übersetzungen. Vor allem aber wegen des Aufbaus. An 18 Stationen wird gleichzeitig gespielt, jeder Gast bekommt seinen eigenen Parcours.
Dort ist man dann mitten in der Schlacht von Waterberg (1904), mit der der Völkermord begann. Man lernt heutige deutsche Siedler kennen, die immer noch surreal wirkende Karnevalssitzungen abhalten. Und denen immer noch der Großteil des damals eroberten Farmlandes gehört: „Der Afrikaner, der kann das nicht!“ Und man erfährt vom Alltag der Hereros.
Aus all diesen Schnipseln entsteht ein Gesamtbild der deutsch-namibischen Historie und Gegenwart. Das Zusammenspiel der Schauspieler aus zwei Kontinenten läuft wie geschmiert. Ein wenig zu lang ist das Stück mit zwei Stunden vielleicht. Aber dafür dürften selbst Geschichtsinteressierte noch Neues erfahren. Etwa die unrühmliche Rolle von Hamburger „Pfeffersäcken“ wie Adolf Woermann (1847-1911), Reeder, Bürgerschaftsabgeordneter, Präses der Handelskammer. Oder die bis heute anhaltenden zähen Verhandlungen der Hereros über Entschädigungen. – Thalia in der Gaußstraße:21./22.1., 8./9./11./12./14.2., versch. Uhrzeiten, Restkarten