Außer Klatschen nix gewesen: Ein Hamburger Pfleger erzählt, warum er jetzt streikt
Geschlossene Kitas und Notbesetzungen in den Hamburger Krankenhäusern: Bereits zum zweiten Mal hat die Gewerkschaft Verdi am Dienstag in der Hansestadt zu einem Warnstreik aufgerufen. Die Pflegefachkräfte hatten bereits Ende September an einem Tag ihre Arbeit niedergelegt — denn mittlerweile fühlen sie sich von der Politik regelrecht veralbert.
Im April applaudierten die Menschen noch für den unermüdlichen Einsatz der Pflegekräfte während der Corona-Krise, und die Politik forderte mehr Anerkennung für systemrelevante Berufe. Im Oktober scheinen die wohlwollenden Worte jedoch verhallt zu sein. Schon zum zweiten Mal demonstrieren Pflegekräfte in Hamburg für bessere Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaft Verdi fordert eine Lohnerhöhung von 4,8 Prozent — mindestens aber 150 Euro im Monat.
Streik der Pflegekräfte: Situation in Krankenhäusern unberechenbar
„Die Situation für uns Pflegekräfte im Krankenhaus ist unberechenbar“, sagt Marc Lienow. Der 42-Jährige arbeitet seit zwölf Jahren als Gesundheits- und Krankenpfleger bei der Asklepios Klinik Nord. „Bei jedem eingelieferten Patienten müssen wir davon ausgehen, dass er das Coronavirus haben könnte“, sagt er der MOPO. „Und bei einem Patienten mit Schlaganfall können wir nicht warten, bis das Testergebnis da ist.“
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Mittlerweile würden die Krankenhäuser wieder mit Patienten vollgestopft werden. „Bis zum 30. September haben die Krankenhäuser Geld bekommen, dass sie Betten für Corona-Patienten freigehalten haben“, fährt Lienow fort. „Jetzt bekommen sie nur wieder Geld, wenn ein Bett auch belegt ist.“
Streik in Hamburg: Was ist eigentlich mit dem Corona-Bonus?
Besonders verärgert ist der 42-Jährige aus Alsterdorf über den Corona-Bonus. „Den gab es erst nur für Altenpflege-Kräfte. Jetzt wurde ein Vorschlag gemacht, auch Pflegekräften im Krankenhaus etwas zu zahlen. Aber dieser soll nicht an alle gehen, sondern nur an ausgewählte Krankenhäuser.“ Welche genau, würde nach Anzahl der Corona-Patienten entschieden. Außerdem würden nicht alle Pflegekräfte davon profitieren, sondern nur diejenigen, die direkt am Bett der Patienten arbeiteten.
„Das ist ein riesengroßer Schwindel“, sagt Lienow. „Alle Kollegen, auch diejenigen in der Reinigung, im Transport und beim Röntgen, sollten den Bonus bekommen!“ Die Stimmung innerhalb der Belegschaft beschreibt er als streik- und auch streitwillig. „Die Kollegen fühlen sich langsam veralbert und nicht wertgeschätzt“, stellt er klar.
Streik in Hamburg: Streit zwischen UKE, Asklepios und Verdi
Im Vorfeld war es zwischen den Asklepios-Kliniken, dem UKE und Verdi zu Streitigkeiten gekommen. Die Gewerkschaft hatte den Krankenhäusern vorgeworfen, keine richtige Notdienstvereinbarung für den Streik entwickeln zu wollen und den Mitarbeitern damit das Grundrecht auf Streik zu nehmen. Das hatten die Arbeitgeber entschieden zurückgewiesen. Das UKE und Asklepios warfen Verdi wiederum vor, mit der vorgeschlagenen Vereinbarung der Gewerkschaft das Patientenwohl zu gefährden. Am Ende wurde keiner der beiden Vorschläge unterschrieben.
Laut Asklepios beteiligten sich knapp 400 Beschäftigte von rund 15.000 Mitarbeitern an dem Warnstreik. „Streikbedingt konnten nicht alle geplanten Operationen durchgeführt werden. Alle Notfälle konnten jedoch behandelt und die Patientenversorgung in allen Kliniken sichergestellt werden“, so Pressesprecher Matthias Eberenz auf MOPO-Nachfrage.
Streik der Pflegekräfte in Hamburg: Patientenversorgung sichergestellt
Auch Saskia Lemm, Pressesprecherin des UKE, sagte der MOPO, dass die medizinische Versorgung der Patienten im UKE während des Warnstreiks sichergestellt war. „Das ist ja das, was uns Pflegekräfte auszeichnet“, sagt Lienow. „Wir wollen den Patienten unter keinen Umständen mit dem Streik schaden.“
Im Vorfeld hatte sich unter anderem die Ärztegewerkschaft Marburger Bund Hamburg mit den Beschäftigten in den Pflegeberufen solidarisiert. Die Corona-Krise habe gezeigt, welche die wirklich systemrelevanten Berufe in der Gesellschaft seien, sagte der Landesverbandsvorsitzende Pedram Emami. Am Donnerstag beginnt in Potsdam die nächste Verhandlungsrunde in der Tarifauseinandersetzung mit dem Bund und den Kommunen.