Der Zwei-Millionen-Einwohner-Plan für Hamburg
Hamburg wächst – und dürfte in einigen Jahren die Marke von zwei Millionen Einwohnern erreicht haben. Doch wo sollen all die Menschen leben, die es in unsere Stadt zieht? Schon jetzt gibt es überall Protest gegen Neubauten, Kahlschlag und Altbau-Abriss. Doch der Bürgermeister stellt klar: Wir bauen weiter. Die MOPO erklärt Hamburgs Zwei-Millionen-Einwohner-Plan.
Fast neun Monate lang wurde in Verhandlungen über das neue „Bündnis für das Wohnen“ gestritten, am Mittwoch haben Stadt und Vertreter der Wohnungswirtschaft endlich unterschrieben. Die Kerninhalte: Das bisherige Ziel, 10.000 Wohnungen im Jahr zu genehmigen, wird beibehalten. Außerdem sollen bei Neubauprojekten ab einer bestimmten Größe 35 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert werden, bei Konzeptausschreibungen von städtischen Flächen gilt das als Mindestwert. So sollen 4000 Wohnungen mit niedrigeren Anfangsmieten pro Jahr genehmigt werden – bisher waren es 3000.
Hamburger „Bündnis für Wohnen“: 10.000 Wohnungen im Jahr
Aber städtische Grundstücke sollen öfter im Besitz der Stadt bleiben und nur per Erbbaurecht an Projektentwickler verpachtet werden. Das war einer der am heftigsten umstrittenen Punkte während der Verhandlungen.
Mit der jetzigen Fortschreibung setzt die Stadt ihr Bau-Mantra fort: Seit 2011 gibt es das Bündnis schon, zunächst sollten 6000 Wohnungen pro Jahr, seit 2016 mindestens 10.000 im Jahr genehmigt werden. Und bislang wurde das auch umgesetzt: In den vergangenen zehn Jahren wurden 110.000 Wohnungen genehmigt, rund 77.000 davon wurden bisher fertig gebaut. 11.269 davon im vergangenen Jahr.
Hamburgs „Bauwut”: Es wird immer schwieriger, Flächen zu finden
Als „Bauwut“ kritisierten das Naturschützer, weil immer mehr Flächen in Hamburg versiegelt werden. Es wird auch immer schwieriger, geeignete Bauflächen zu finden. Um das Ziel trotzdem zu erreichen, sei in der Stadtentwicklung „Kreativität“ nötig, sagte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Mittwoch. Zudem werde weiterhin auf größere Bauprojekte wie Oberbillwerder gesetzt, auch das neue „Baulandmobilisierungsgesetz“ soll helfen. Laut Sönke Struck, Vorsitzender des Immobilienverbands „BFW“, muss auch mehr in die Höhe gebaut werden.
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Immer höheres und dichteres Wohnen – nur so scheint Hamburg die steigende Wohnungsnachfrage bewältigen zu können: Im Jahr 2010 lebten 1,78 Millionen Menschen in Hamburg, heute sind es schon mehr als 1,85 Millionen – ein Zuwachs von rund 7000 Menschen im Jahr. Vorhersagen gehen davon aus, dass die Hansestadt sogar schon um 2030 herum die Zwei-Millionen-Einwohnermarke knacken könnte.
Knackt Hamburg die Zwei-Millionen-Einwohnermarke?
Gelingt es der Stadt, ihre Ziele umzusetzen, wäre Hamburg dafür gewappnet: Bei rund 100.000 neuen Wohnungen in 2031 und einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,8 Personen (Stand: 2018) könnten theoretisch weitere 180.000 Menschen in Hamburg eine Wohnung finden.
Aber wird das wirklich nötig? Im vergangenen Jahr geriet das Wachstum ins Stocken: 2020 lebten im Vergleich zum Vorjahr 5225 mehr Menschen in Hamburg, 4057 davon waren zugezogen. Laut dem Hamburger Gewos Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung kamen wegen der Pandemie weniger Fachkräfte aus dem Ausland als sonst. Zugleich zogen mehr Menschen ins Umland um – gerade in der Pandemie haben sich viele nach mehr Platz und Grün gesehnt.
Bauen gegen steigende Mieten? Könnte in Hamburg klappen
Ein Trend, der auch nach Corona bleiben wird? „Wir gehen anhand unserer Umfragen und Gespräche davon aus, dass immer mehr Menschen aus der Stadt ins Umland ziehen werden“, erklärt Bernd Leutner, Geschäftsführer der Hamburger Immobilienberatung „F+B“ der MOPO. Das zeige sich auch bei den Mieten: Während die Neuvertragsmieten in der Kernstadt stagnieren, steigen die im Speckgürtel von Hamburg an. Trotzdem sei der weitere Neubau von Wohnungen richtig und eine der wichtigsten Aufgaben für die Stadtentwicklung, so Leutner. Auch das Gewos Institut prognostizierte Hamburg weiteren Bevölkerungszuwachs – wenn auch um langsamere 4,7 Prozent bis 2035.
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Der Mieterverein zu Hamburg ist immerhin mit dem Bau-Versprechen von Stadt und Wohnungswirtschaft zufrieden. Die Linke kritisiert hingegen, dass überwiegend teure Neubauwohnungen errichtet werden. Immerhin: Im Großstädte-Vergleich sind die Mieten in Hamburg in den vergangenen Jahren deutlich geringer angestiegen.
Auch Jochen Möbert, Immobilien-Experte der Deutschen Bank, erklärte im „Spiegel”-Interview, dass der aktuelle Boom bei den Immobilien wegen eines „relativ moderaten Einwohnerwachstums und des erfolgreichen Wohnungsbaus” als erstes in Hamburg beendet sein dürfte – und das schon 2024. Weil so viel gebaut wird, sollen die Preise sogar leicht sinken.