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Beatles, Luden, Schießereien: Kult-Wirtin Rosi: Mein wildes Leben auf dem Kiez

St. Pauli –

Als auf St. Pauli zu Beginn der 60er Jahre die neue Musikkultur und der jugendliche Aufbruch gefeiert wurden und die „Beatlemania“ tobte, war Kiez-Kultwirtin Rosi Sheridan McGinnity  mittendrin – und erlebte die Anfänge der später weltberühmten Band hautnah mit. Die Ex-Frau von Beatles-Entdecker Tony Sheridan feiert heute 50-jähriges Jubiläum ihrer „Rosis Bar“ auf dem Hamburger Berg und sagt trotz Cornern und Billig-Alkohol: „Ich bin um mein St.Pauli überhaupt nicht besorgt.“

„Der Tony hätte alle haben können, und ich einen anderen – sie waren alle in mich verliebt“, Rosis Augen funkeln, wenn sie von den alten Zeiten, von ihrer Jugendliebe und Vater ihres Sohns, dem Beatles-Förderer Tony Sheridan spricht. Es waren wilde Zeiten, in denen sich die damals erst 19-jährige Kellnerin aus der Kult-Kneipe „Kaiserkeller“ und der Engländer, der in seiner Heimat bereits ein bekannter Musiker war, verliebten.

Kult-Wirtin Rosi: Mein wildes Leben auf dem Kiez

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So kennen Nachtschwärmer die Szene-Bar auf dem Hamburger Berg. Über der Tür hängen immer noch drei Hufeisen – der ursprüngliche Name der Kneipe.

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Florian Quandt

Auf der Reeperbahn tobte damals Aufbruch, Rock’n’Roll und „jeder junge Mensch hatte die Unruhe im Arsch“, wie die heute 79-Jährige sagt. 1959 fing das junge Mädchen, das damals noch Rosemarie Heitmann hieß, hinterm Tresen an. „Kaiserkeller“-Besitzer und Kiezgröße  Bruno Koschmider hatte die Beatmusik-Gruppe und Begleitband des Musikers Tony Sheridan aus Liverpool, damals mit den noch blutjungen Mitgliedern Paul McCartney, John Lennon, George Harrison, Stuart  Sutcliffe und Pete Best, für seinen Nachtclub engagiert – so, wie es viele der Kiezwirte damals taten.

„Rosis Bar“ in Hamburg: So lernte sie die Beatles kennen

Ab 1960 spielten die Beatles insgesamt 58 Nächte im Keller-Club in der Großen Freiheit 36. „Rosi, das ist die neue englische Band, bedien‘ die mal“, erinnert sich Rosi an die Worte ihres ehemaligen Chefs, als Tony Sheridan mit seinen Schützlingen Paul McCartney & Co. reinkam. „Die ganzen Engländer, die nach Hamburg kamen, waren alles ganz andere Typen, als das, was wir  sonst kannten, alle gertenschlank und gut angezogen“, sagt Rosi, die damals schon nächtelang Rock’n’Roll tanzte.

Tony Sheridan, der den Beatles in Hamburg ihr Handwerk beibrachte, verliebte sich sofort in Rosi, oder auch in „The girl with the flying feet“, wie sie von den Engländern genannt wurde. „Ich hatte ganz dunkle Haare und einen schönen runden Po, das kam gut an. Und dann hab ich eben gleich den ersten englischen Musiker, der da rein kam, geheiratet“, erzählt sie, lacht dabei und zieht genüsslich an ihrer Zigarette, die in einer Zigarettenspitze steckt.

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Rosi, Tony Sheridan und Söhnchen Rick. Vater und Sohn verstarben beide bereits an Krebs.

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Rike Schulz

Die Verbindung zwischen den Barfrauen und den jungen Musikern beschreibt sie damals als „sehr besonders“. 1961 kam Sohn Rick zur Welt. Uneheliche Kinder sind damals noch ein Skandal. Rosi zog mit dem Lütten ins sogenannte Hurenhaus an der Großen Freiheit, lebte dort mit Kiez-Gangstern wie „Ochsen-Harry“ auf einem Flur.

Rosi war mit Tony Sheridan verheiratet

„Die hätten mir niemals ein Haar gekrümmt, ich war halt die Rosi und die Frau vom Sheridan“, sagt sie. Ihr Mann, der oft zu Besuch kam und sich im Schrank verstecken musste, sobald sich die Vermieterin näherte, hatte immer den „Rückhalt der ganzen Banditen“, wie Rosi sagt. „In der Zeit haben Paul McCartney und Tony auch .Tell Me IIf You Can‘ geschrieben und all die anderen Lieder. Er hatte immer unseren kleinen Ricki auf dem Schoß, Paul war ein Sonnenschein, hat immer auf mich aufgepasst“, erinnert sie sich.

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Musiker Tony Sheridan gilt als Entdecker der erfolgreichsten Musikband aller Zeiten, den Beatles.

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dpa

Nachdem Tony und die Beatles im Laufe der 60er Jahre getrennte Wege gingen, machte Tony als Solo-Künstler weiter, Rosi arbeitete nun hinterm Tresen im „Star Club“. Die junge Liebe der beiden endete, als Tony 1967 aus Geldmangel für drei Jahre nach Vietnam zog.  Auch Rosi ging  ihre eigenen Wege und übernahm 1969 von ihrem Vater die Kneipe „Drei Hufeisen“   auf dem Hamburger Berg, aus der später  „Rosis Bar“ wurde.

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Es ist vor allem der Einfluss des Vaters, der aus der jungen Kellnerin später eine taffe Wirtin macht, denn: Er selbst war Kellner im früheren „Café Keese“ – tagsüber arbeitete er als Schweißer auf einer Werft, um Rosi und ihre zwei Schwestern über die Runden zu kriegen. Die Mutter war früh gestorben. „Ich habe schon mit 13 Jahren die Kellnerhemden von meinem Papi gebügelt. Wenn du vom Vater erzogen wurdest, bist du keine Püppi und keine Prinzessin“, erinnert sich Rosi.

„Rosis Bar“ auf dem Kiez: „Ich habe hier schon alles erlebt“

Mit Kodderschnauze und Herzlichkeit machte Rosi  aus der gemütlichen Kneipe  eine Institution – genau wie aus sich selbst. „Ich habe hier schon alles erlebt“, sagt sie und erzählt vom „schönen Klaus“, dem Gründer der „Nutella-Banda“, der in der Kneipe ein Messerwerfen veranstaltete. Sie erzählt    von Schießereien und zugekoksten Zuhältern. Rosi kennt das   Auf und Ab von Hamburgs sündigem Viertel  wie kaum eine andere.

Heute ist ihre Kneipe Kult. Es kommen immer wieder bekannte Blues-Musiker wie Abi Wallenstein und Vince Weber vorbei.  Prominente schätzen die persönliche Atmosphäre, die bei Rosi herrscht. „Das Wichtigste ist, dass es warm ist, die Scheißhäuser sauber sind und sich die Leute wohl fühlen“, fasst die Gastronomin ihr Erfolgskonzept zusammen.

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Auch mit fast 80 Jahren ist Rosi noch genüssliche Raucherin.

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Florian Quandt

Wie sie mit den harten Jungs umzugehen hat, wusste die rüstige 79-Jährige immer, doch gegen das Schicksal war auch Rosi machtlos: Sohn Rick starb im vergangenen Jahr mit 58 Jahren an Krebs – genau wie sein Vater Tony Sheridan 2013. „Da hatten wir Angst, dass der Laden dicht gemacht wird“, sagt Türsteher Leon, der  der Chefin seit neun Jahren zur Seite steht. Doch da schüttelt sie vehement den Kopf – sie verlängerte den Mietvertrag erst kürzlich um weitere fünf Jahre. „Das ist doch meine Familie hier“, sagt Rosi, die mittlerweile nicht mehr direkt über der Bar, sondern in einer kleinen Wohnung in Bahrenfeld wohnt.

Heiligabend auf St. Pauli: Rosi trank mächtig viel Champagner

Dass noch lange nicht Schluss ist, bewies die Kiez-Wirtin gerade an Heiligabend: „Da hab’ ich drei Flaschen Champagner gekippt und war seit 20 Jahren wieder mal so richtig betrunken“, erzählt sie.  Macht nichts, einer der Türsteher wird die Chefin schon nach Hause gefahren haben, so wie sie es auch an jedem Wochenende tun.

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Um „ihr“ St. Pauli macht sich die Hamburgerin keine Sorgen. Sie  sagt: „Hier gibt es noch genug Wirte, die ihre Läden wertschätzen und sie mit Liebe betreiben, so wie ich. Wir bestimmen hier immer noch mit und das wird so bleiben.“

Und was wünscht sich Rosi für die nächsten 50 Jahre? „Dass die Menschen hier weiterhin eine schöne Zeit haben und dass sie liebevoll miteinander sind.“  Heute Abend wird aber erstmal Jubiläum gefeiert – bestimmt mit der ein oder anderen Buddel Schampus.

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