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Berichterstattung über Straftaten: Nationalität nennen – oder nicht?

Die Frage, ob die Nationalität von Straftätern bei Presseberichterstattung genannt werden soll, wird heiß diskutiert. Eine Studie des Medienexperten  Dr. Thomas Hestermann  sorgt für zusätzlichen Zündstoff. Sein Ergebnis: Die Herkunft wird vor allem dann genannt, wenn die Tatverdächtigen Ausländer sind. Laut Hestermann werden ausländische Tatverdächtige in Fernsehberichten 19 Mal so häufig erwähnt, wie es ihrem statistischen Anteil entspricht. In Zeitungsberichten sind sie sogar 32 Mal so oft präsent. Und in keinem Bundesland wird so häufig die Nationalität von Tatverdächtigen genannt wie in Hamburg.

Zu der Frage, ob die Nationalität von Tatverdächtigen bei Straftaten genannt werden soll, hat fast jeder eine Meinung. Seit der Silvesternacht 2015/2016, in  der es in Köln zu Hunderten von Übergriffen auf Frauen kam, ist ein neues Interesse in Deutschland erwacht: Es geht darum, welche Nationalität mutmaßliche Täter von Gewalt- oder Sexualverbrechen haben. Denn: Die mutmaßlichen Täter in Köln kamen in vielen Fällen aus Nordafrika.

Die Hamburger Einsatzzentrale.

Die Hamburger Einsatzzentrale. 

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dpa

Seit Köln also ringen Medien um den richtigen Umgang mit der Frage, ob man die Nationalität nennen sollte – oder nicht. Deren Beantwortung birgt politischen Sprengstoff. Nennt man keine Nationalitäten, ist der Vorwurf des Verschweigens im Raum, nennt man sie immer, heißt es, dass man sich von Scharfmachern treiben lässt. Der Pressekodex besagt, dass es für die Nennung von Nationalitäten einen für das Verständnis der Straftat begründbaren Sachbezug geben muss. Hält man sich an den mittlerweile aufgeweichten Pressekodex oder sorgt die Nicht-Nennung von Nationalitäten für Intransparenz – und ist damit Nährboden für „Lügenpresse“-Rufe?

Studie: Nennung von ausländischen Nationalitäten deutlich höher

Thomas Hestermann, Professor für Journalistik an der Hochschule Macromedia, hat dazu geforscht. In einer Studie fand er 2019 heraus, dass die Nennung der ausländischen Nationalität von Tatverdächtigen im ersten Quartal 2019 bei 41 Prozent lag, die von deutschen Tatverdächtigen aber nur bei drei Prozent. Sein Fazit gegenüber der MOPO: „Die Herkunft wird seit der Kölner Silvesternacht immer häufiger genannt – aber fast nur dann, wenn die Tatverdächtigen Ausländer sind.“ Hestermann schlägt eine einheitliche Regelung vor, denn „wenn die Nationalität immer genannt wird, kann man immerhin sagen, dass es keine Verzerrung gibt“.

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In dasselbe Horn stößt auch Prof. Dr. Thomas Bliesener vom kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Auch er ist für eine einheitliche Regelung. „Ich weiß nicht, wie man sonst dem Vorwurf begegnen soll, dass die Polizei aus politischem Interesse heraus Informationen zurückhält“, sagt er der MOPO.

Medienmacherin empfiehlt offensiven Umgang

Konstantina Vassiliou-Enz, Geschäftsführerin des Vereins „Neue Deutsche Medienmacher“, schlägt einen offensiven Umgang der Medien mit der Frage vor. Gegenüber der MOPO empfiehlt sie, sich an die Vorgehensweise der „New York Times“ zu halten, denn „wenn die die Herkunft nennen, dann erklären sie im Artikel, warum sie das tun“. Ihre Haltung: „Würden wir Journalisten uns allem beugen, was irgendwer fordert, wäre das tatsächlich ein Grund, den Medien zu misstrauen.“

Und bei der Polizei? Wie drastisch diese in der Hansestadt ihre Linie durchsetzt, zeigt eine Recherche des „Spiegel“. Das Nachrichtenmagazin hatte 9591 Pressemitteilungen ausgewertet, die Polizeibehörden aus ganz Deutschland in der ersten Dezemberhälfte 2019 auf der frei zugänglichen Seite Presseportal.de veröffentlicht hatten.

Die Analyse offenbart ein erstaunliches Bild: In mehr als der Hälfte (52 Prozent) ihrer Meldungen veröffentlicht die Polizei Hamburg die Nationalität von Tätern oder Tatverdächtigen. Damit liegt die Behörde von Präsident Ralf Martin Meyer deutlich über dem Bundesdurchschnitt von drei Prozent.

Warum das so ist, dafür hat Polizeisprecher Florian Abbenseth eine einfache Erklärung: Die Nennung der Nationalitäten von Tatverdächtigen „ist eine mehrjährige, an den erkannten Bedürfnissen des Journalisten orientierte Praxis“. Laut Polizeisprecher Abbenseth habe die Polizei die gesetzliche Verpflichtung, Journalisten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe notwendigen Auskünfte zu erteilen.

Informiert die Polizei künftig nur noch Journalisten?

Allerdings: Nicht erst seit den Silvestervorfällen von Leipzig zeigt sich ein neuer Trend: In Zeiten von Presseportalen und täglich bespielten Social-Media-Kanälen der Polizei wird diese vom Zulieferer von Fakten immer mehr zum handelnden Akteur. Ist die Polizei damit also ein Teil des Spiels? Man verstehe die Pressemitteilungen als „ausschließliches Angebot für Journalisten“, so Abbenseth. Derzeit werde überprüft, „ob an dem aktuellen Verbreitungsweg, der für den Bezug der Pressemitteilungen keine Akkreditierung erfordert, festgehalten wird.“

Dass sich die „Bedürfnisse des Journalisten“ nach den Vorfällen von Silvester 2015 in Köln gewandelt haben, sieht auch der Pressekodex vor. Musste es vor Köln noch einen „für das Verständnis des berichteten Vorgangs begründbaren Sachbezug“ geben, reichte – nachdem sich der Böllernebel über Köln gelegt hatte – schon ein „begründetes öffentliches Interesse“.

Die Gefahr der Vereinnahmung ist akut

Haben politische Akteure aber nicht bereits einen Teilerfolg errungen, selbst wenn immer alle Tatverdächtigen genannt werden? Die Gefahr bleibt, dass diese Fragestellung nur ein Zwischenschritt ist, bis – bei deutscher Nationalität – gefordert wird, den Namen oder gar das Foto eines Tatverdächtigen zu veröffentlichen – damit ein migrantischer Hintergrund auch wirklich ausgeschlossen werden kann.

So geschehen jüngst in Augsburg. Dort hatte die Polizei zunächst veröffentlicht, dass fast alle der Täter eine deutsche Staatsbürgerschaft haben – bis auf Druck von rechts – „herauskam“: Manche der Täter hatten eine doppelte Staatsbürgerschaft.

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