Besonderes Projekt in Hamburg: Wie es sich in einem Bunker wohnt
Ehemalige Luftschutzbunker verteilen sich über ganz Hamburg und stellen die Stadt vor ein Problem: Die tristen, fensterlosen Betonklötze nehmen Grundstücksfläche weg, die dringend gebraucht wird. Dass auch ohne Abriss Nachverdichtung möglich ist, zeigt ein Umbauprojekt in Ottensen.
Beim Begriff Bunker denkt wohl niemand an Luxus, Komfort und Großzügigkeit. Dass man in den historischen Bauten aber wirklich angenehm wohnen kann, zeigt das Wohnprojekt „Frieda“ in Ottensen. Nur wer das Gebäude aus der Zeit vor dem Umbau kennt, erkennt im unteren Teil der Fassade die massive Betonwand des ehemaligen Bunkers wieder. Für alle anderen ist es ein attraktiver Neubau mit Betonfassade und bodentiefen Fenstern.
Die Idee für den Bunker-Umbau kam aus der Nachbarschaft
Die Idee, aus dem Gebäude eine Wohnanlage zu machen, kam aus der Nachbarschaft. Nicole Alpers und Sebastian Schröder, die Initiatoren des Projekts, wohnen seit Beginn der 90er Jahre in der unmittelbaren Umgebung. „Wir konnten uns damals nicht vorstellen, dass jemals etwas mit dem Gebäude passiert“, sagt Bauherr Schröder im Gespräch mit der MOPO. „Der Bunker war ein verwunschener Ort, der nur von den Nachbargrundstücken aus zugänglich war und durch ein Tor von der Außenwelt abgetrennt war.“ 2011 habe sich abgezeichnet, dass der Bunker verkauft werden sollte. „Wir haben uns damals mit der Nachbarschaft ausgetauscht und uns dafür entschieden das finanzielle Risiko einzugehen“, berichtet Alpers.
Kultur im Bunker: „Frieda“ war vorher Ausstellungsort
Nach dem Kauf des Bunkers folgte eine zweijährige Übergangsphase. „Diese Zeit war total spannend. Der Bunker hat richtig Leben aufgenommen. Die kulturelle Nutzung des Gebäudes war als Teil des Planungsprozesses sehr hilfreich, ging aber leider an der wirtschaftlichen Realität vorbei“, sagt Björn Liese, der verantwortliche Architekt. Auch Alpers erinnert sich: „Wir hatten viele Besucher in den Ausstellungen, die selbst als Kinder Bunker-Erfahrungen machen mussten.“ Durch den historischen Kontext des Ortes hätten Filme und Kunst eine ganz besondere Wirkung bekommen.
Hamburg: Bunker bekommt andere Nutzungsbestimmung
Auch über alternative Nutzungsmöglichkeiten hätten die Projektleiter nachgedacht: Self-Storage-Einheiten standen beispielsweise zur Diskussion. „Am Ende mussten wir uns die Frage stellen, was von den Ideen wirtschaftlich tragbar ist“, erklärt Schröder. Der Umbau zum Wohnhaus mit Eigentumswohnungen sei die einzige Möglichkeit gewesen, etwas an der Situation zu verändern und das Projekt zu refinanzieren.
Schließlich ging es von Anfang an um die Frage, was das Projekt für Ottensen leisten solle. Wollte man eine verwunschene Oase im Ballungszentrum bewahren oder dem Viertel Mehrwert bieten? Die Entscheidung, im Bunker Wohnraum für 15 Parteien zu schaffen, war nicht nur wirtschaftlich motiviert, sondern orientierte sich klar am Bedarf eines überhitzten Wohnungsmarkts.
Die Bunkervergangenheit sollte spürbar bleiben
Bei der Planung sei es viel um das Spannungsfeld zwischen Um- und Neubau gegangen, sagt auch Björn Liese. „Der Bunker wurde vollständig entkernt, gleichzeitig wurden Fensteröffnungen in die Außenwände eingeschnitten. Im Inneren haben wir dann eine neue Gebäudestruktur aufgebaut“, erklärt der Architekt. „Uns war es wichtig, dass der Bunker auch nach dem Umbau erlebbar bleibt. Trotz der starken Veränderung bleiben die Spuren der Umwandlung und der Schnittstelle zwischen Alt und Neu sichtbar.“ Das Gebäude hätte zwar eine neue Hülle bekommen, die Abmessungen seien aber unverändert geblieben.
Graue Betonwände, große Fenster und hohe Decken
Schon der imposante Eingangsbereich der Wohnanlage ist ganz in grauem Beton gehalten. Die 15 Wohneinheiten verteilen sich über fünf Stockwerke und sind mit bodentiefen Fenstern und großzügigen Deckenhöhen ausgestattet. Anders als vermutet, wirken die Räume hell und freundlich. Das Tageslicht lenkt den Blick auf die charakteristischen Betonwände, die sich durch alle Einheiten ziehen. Auffällig sind auch die massiven Außenwände: Dort wo Einschnitte in den Bunker vorgenommen wurden, entstehen durch die dicken Wände Erker und Loggien.
Urban Gardening: Dachgarten kann flexibel bepflanzt werden
Ganz oben liegt der begrünte Dachgarten. Von hier aus ist der Ausblick über Hamburg beeindruckend. Der Garten ist üppig bepflanzt – in Eigenregie, von den Bewohnern selbst. Theoretisch könnten ambitionierte Gärtner hier sogar Kartoffeln anbauen.
Obwohl die Wohnungen alle über eigene Balkone verfügen, war den Projektentwicklern der gemeinschaftliche Garten sehr wichtig. „Der Dachgarten ist ein Ort des Austauschs und das Zentrum der Hausgemeinschaft. Bewohner treffen sich hier in unterschiedlichen Konstellationen, trinken Wein oder machen zusammen Sport“, so Schröder. „,Frieda‘ will Möglichkeiten schaffen, was das individuelle und gemeinschaftliche Leben der Bewohner angeht. Was daraus geschieht, liegt an den Eigentümern“, ergänzt Alpers.
Hohe Baukosten sind für den Verkaufspreis verantwortlich
Das attraktive und besondere Wohnen im Bunker muss man sich freilich auch leisten können. Laut Schröder wurden die 15 Einheiten zum marktüblichen Preis verkauft. Die Immobilienkosten in Ottensen sind jedoch hoch und luxuriöse Wohnungen mit Dachgartenzugang in gefragter Lage nicht unbedingt massentauglich.
Die Projektleiterin Alpers verneint die Frage, ob man das Projekt nicht auch kostengünstiger hätte gestalten können. Schließlich sollte das Gebäude nicht nur auf hohem Niveau umgenutzt, sondern auch energetisch auf den neusten Stand gebracht werden. Mit einer innovativen Eisspeicherheizung gelingt dabei die C02-freie Klimatisierung – bei allerdings beträchtlichen Investitionskosten. „Wir wollten eine Lösung finden, die auch in 30 Jahren noch Bestand hat“, erklärt Schröder. Der saisonale Energiespeicher solle dazu beitragen, dass das Gebäude auch in einer C02-neutralen Welt noch Bestand hätte und den Anforderungen der Zukunft gerecht werde.
Nachverdichtung: Bezahlbarer Wohnraum ist gefragt
Den angespannten Hamburger Wohnungsmarkt kann ein Projekt wie „Frieda“ mit seinen 25 Bewohnern nicht entlasten. Ehemalige Luftschutzbunker lassen sich durch den hohen baulichen Aufwand nicht in besonders gefragte Sozialwohnungen umwandeln.
Abriss normalerweise günstiger als der Umbau
„Trotz der standardisierten Bauweise sind die Bunker individuell zu betrachten“, sagt Bau-Experte Björn Liese. Der Standort und der spezielle Bunker-Typus seien für die Kostenfrage bei einem Umbau entscheidend. „Der Abriss ist normalerweise günstiger. Bei der Umnutzung ist dagegen ein gewisser Aufwand nötig, um aus dem monolithischen Bestandsbaukörper ein zeitgemäßes Wohngebäude herauszuarbeiten“, so der Architekt.
Ein Bunker außerhalb von Metropolregionen wird auch weiterhin als Bunker stehen bleiben, ergänzt Schröder. In den Innenstadtbereichen, wo der Bedarf an Grundstücksflächen besonders groß ist, ist der Abriss oft rentabler, da ein Neubau effizienter Wohnraum schaffen kann.
„Frieda“ in Hamburg: Ein Stück Geschichte erhalten
Ist „Frieda“ nun ein Pilotprojekt für die 650 Bunker, die in Hamburg noch erhalten sind? „Diese Bauten haben eine Besonderheit im Stadtbild. Bunker sorgen für Störungspunkte, dienen als Orientierungshilfen und lockern den Blick auf. Mit dem Abriss verschwindet auch immer ein Stück Geschichte“, bemerkt Schröder. Umnutzung sei da die bessere Option.
Wohnprojekte wie „Frieda“ sind insofern zukunftsweisend, als dass sie auf Veränderungen von Gesellschaft und Umwelt flexibel reagieren wollen. Den demografischen Wandel, die Klimaerwärmung und auch das Bedürfnis nach neuen gemeinschaftlichen Wohnkonzepten greift der Wohnbunker auf und entwickelt lösungsorientierte Strategien.