Stylistin Kara Schott (41) bei der Ausgabe. Sie liebt Tiere und ist Vorsitzende der Tiertafel Hamburg.
  • Stylistin Kara Schott (41) bei der Ausgabe. Sie liebt Tiere und ist Vorsitzende der Tiertafel Hamburg.
  • Foto: Florian Quandt

Die Stylistin mit dem großen Herz für Tiere

Manche müssen sich erst einmal räuspern, entschuldigen sich für ihre dünne Stimme. Sie hätten seit der vergangenen Ausgabe mit niemandem mehr gesprochen. 14 Tage lang. Kein einziges Wort. Für Kara Schott (41) eine schwer zu ertragende Vorstellung. Dass sie diesen Menschen jedoch helfen kann, macht sie sehr glücklich. Eigentlich ist sie Stylistin. Doch vor allem ist sie Vorsitzende des Tiertafel Hamburg e.V. Ein Verein, der nicht nur den Vierbeinern hilft, sondern auch ihren Besitzern.

„Wer sich kein Tier leisten kann, soll sich keins anschaffen.“ Ein Satz, den Kara in ihren 20 Jahren bei der Tiertafel schon häufig gehört hat. Und auch ihre Kunden. Sie schämen sich, die Hilfe des Vereins in Anspruch nehmen zu müssen. Dabei sind die Umstände häufig nicht selbst verschuldet, und die Tiere waren schon vorher da. Was viele nicht wissen: Die Tiertafel am Hegholt (Bramfeld) unterstützt ausschließlich Menschen, die nachweisen können, dass sie das Tier schon hatten, bevor sie in Not geraten sind.

Es sind Bürgergeldempfänger, Alleinerziehende und auch vermehrt Menschen, die in die Privatinsolvenz gerutscht sind. Bei den meisten jedoch handelt es sich um Senioren. Auffällig für die Chefin: In den vergangenen vier Jahren sind besonders viele psychisch Erkrankte als Neukunden hinzugekommen, die von ihren Betreuern zu den Ausgaben begleitet werden müssen. Auch sehr viele junge Leute. „Angstzustände, Panikattacken und Depressionen sind ein großes Thema. Die Menschen geraten schnell in eine Negativspirale und haben große Probleme, sich um sich selbst und ihre Versorgung zu kümmern.“ Geschweige denn, um die Versorgung ihres Tieres.

„Blaue Flecken an den Armen oder ähnliches sehen wir immer wieder“

Bei der Tiertafel treffen viele gesellschaftliche Probleme aufeinander. Die Menschen holen nicht nur Futter für ihre Tiere ab. Sie tauschen sich aus, teilen sich mit. Um den Bedürftigen weitergehende Hilfe bieten zu können, gibt es mittlerweile auch eine Sozialberatung, die in Zukunft noch ausgebaut werden soll. Die Tiertafel unterstützt auch Wohnungslose, indem sie Futter an andere Vereine liefert, die es an Menschen auf der Straße verteilen.

Einige Kunden kennt Kara seit vielen Jahren. Besonders berühren sie die Schicksale von Frauen, die vor ihren Partnern ins Frauenhaus geflüchtet sind und eine Erstausstattung für ihr Tier brauchen, weil sie in der Eile alles zurücklassen mussten. „Das kann ich nur schwer aushalten. Körperliche Gewalt sowieso. Blaue Flecken an den Armen oder ähnliches sehen wir immer wieder“, sagt Kara und presst die Lippen aufeinander. Die Geschichten der Frauen nimmt sie mit nach Hause. Einfach abschalten – das kann die sonst fröhlich wirkende Frau mit den roten Haaren nicht.

Auch den jungen Mann, der bei der vergangenen Ausgabe etwas abseits stand, wird sie nicht vergessen. Es regnete in Strömen. Kara ging zu ihm, fragte: „Kümmert sich schon jemand um dich?“ Der Mann begann bitterlich zu weinen. Er reichte Kara einen Stapel Unterlagen, auch Bankauszüge. „Das geht uns gar nichts an. Das brauchen wir nicht wissen.“ Doch der Mann wollte ihr beweisen, dass er bedürftig ist. Auf seinem Konto waren noch 2 Euro und 73 Cent. Er erzählte ihr, dass sein Partner, der Ernährer der Familie, vor Kurzem verstorben sei. „Der Mann wirkte in seiner tiefen Trauer völlig überfordert.“

Kara machte Modenschauen, Fotoshootings, verschönerte Promis

Familie, Freunde, Kollegen, vielleicht auch nur irgendeinen Bekannten oder Nachbarn. „Manche Menschen haben wirklich niemanden, der ihnen hilft. Nur auf sich schauen, für rechts und links kein Auge mehr haben, das hat seit der Pandemie zugenommen.“ Es macht Kara traurig, wie alleine manche Menschen sind und zeigt ihr, wie wichtig ihre Arbeit ist. Schon als Kind spielten Tiere eine große Rolle in Karas Leben. Ihre Großmutter päppelte Wildtiere auf, ihre Mutter, die mittlerweile eine Auffangstation für Tiere in Irland betreibt, kümmerte sich um herrenlose Katzen. Kara half mit – schon immer.

Krasser Gegensatz dazu: Ihr Job. Die 41-Jährige ist Stylistin. Zuletzt leitete sie ein Kosmetikinstitut. Eine andere Welt. Kara war bei Modenschauen und Fotoshootings dabei, verschönerte Promis. „Die ehrenamtliche Arbeit war immer ein wichtiger Ausgleich für mich.“ Mittlerweile hat sie ihren Job aufgegeben. Sieben Tage die Woche ist sie als Vorsitzende und einzige Hauptamtliche für die Tiertafel im Einsatz.

Hegholt (Bramfeld): Die Kunden der Tiertafel Hamburg stehen bei der Ausgabe an. Florian Quandt
Hegholt (Bramfeld): Die Kunden der Tiertafel Hamburg stehen bei der Ausgabe an.
Hegholt (Bramfeld): Die Kunden der Tiertafel Hamburg stehen bei der Ausgabe an.

Alle zwei Wochen mittwochs findet eine Ausgabe für die Besitzer von Hunden, Katzen, Vögeln und Nagetieren statt. „Manche Kunden fahren zwei Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln, um zu uns zu kommen.“ Die Spenden reichen von Hundeleinen, Katzenkörbchen, Spielzeug und Decken über eine medizinische Grundversorgung bis hin zu verschiedenstem Futter. Die Kunden bekommen die Versorgung für zehn Tage. „Sie sollen sich auch selber noch um ihre Tiere kümmern.“ Es sei denn, das Tier ist chronisch krank. Dann bekommen die Besitzer eine auf das Tier abgestimmte Vollversorgung.

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Ein großer Kraftakt für den Verein, der auf Spenden angewiesen ist. In den vergangenen drei Jahren sind immer mehr Bedürftige hinzugekommen. Mittlerweile sind es etwa doppelt so viele. Monatlich werden rund 1200 Tiere, größtenteils ältere Hunde und Katzen, von den 20 Ehrenamtlichen der Tiertafel versorgt. Um den Ansturm bewältigen zu können, zieht der Verein demnächst an einen neuen Standort. Ein ehemaliges Sozialkaufhaus in der Stormarner Straße 36 (Wandsbek), ganz in der Nähe des S-Bahnhofs Friedrichsberg.

Für das Team eine große Erleichterung. „Dann können wir noch mehr Menschen erreichen“, freut sich Kara. Anderen helfen – für sie eine Herzensangelegenheit. Die Vorsitzende empfindet Demut vor dem, was sie hat. Sie ist gesund, hat eine Familie, Freunde, eine Wohnung. „Es geht mir gut. Das ist nicht selbstverständlich.“

Steckbrief: Kara Schott (41), Vorsitzende des Tiertafel Hamburg e.V.

Auto oder Fahrrad? Fahrrad, ich habe gar kein Auto.

Bier oder Wein? Nichts von beidem. Ich trinke aus Überzeugung keinen Alkohol. Ich habe gesehen, was Alkohol anrichten kann. Das ist ein viel zu selbstverständliches ‚Genussmittel‘ in unserer Gesellschaft.

Schnitzel oder Veggie-Burger? Veganer Burger. Für mich ist Tierschutz, sich um alle Tiere zu kümmern.

Kind oder Haustier? Haustier. Aber ich finde auch Kinder ganz wunderbar. Auch, wenn ich keine eigenen habe.

Nordsee oder New York? Schwierig. Ich habe Verwandte in New York. Aber ich finde die Nordsee auch toll. Also beides.

Kiez-Club oder Elphi? Kiez-Club, wenn ich mich entscheiden muss.

Yoga oder Fitnessstudio? Ich mache Yoga im Fitnessstudio.

Heavy Metal oder Klassik? Ich habe jahrelang Geige gespielt, mag aber auch Heavy Metal. Da kann ich mich leider nicht entscheiden.

Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa MOPO
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Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa

„Die Tiertafel lindert täglich akute Not“

Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen zudem finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung. 

Die Tiertafel braucht dringend Möbel für den neuen Standort.  Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung aus den Mitteln des Haspa-Lotteriesparen. Zudem wird die Haspa Mühlenkamp die Patenschaft übernehmen. „Die Tiertafel lindert täglich akute Not bei Tieren und damit auch bei ihren Besitzern“, so Filialdirektor Mirko Brewitz. „Jede Unterstützung hilft.“

Wie es durch die Hilfe mit dem Projekt vorangegangen ist, erfahren Sie im Bessermacher-Recall. Die MOPO bleibt dran und berichtet!

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