Fritz Urban (46) von „Westwind“
  • Drei Kinder, Job als Ingenieur und trotzdem ist Fritz Urban (46) jede Woche ehrenamtlich als Schrauber bei „Westwind“ in Stellingen tätig.
  • Foto: Florian Quandt

Wie dieses Hamburger Unternehmen mit Fahrrädern Bedürftigen hilft

Eigentlich wollten Fritz Urban und seine drei Söhne nur Fahrräder bei „Westwind Hamburg“ am Kronsaalsweg (Stellingen) abgeben. Einen kleinen Beitrag leisten für Menschen, die deutlich weniger privilegiert sind. „Doch den Wunsch, mich zu engagieren und etwas zurückzugeben, hatte ich schon lange.“ Also stieg der 46-Jährige noch am Tag der Fahrradabgabe mit ein. Seitdem ist der Flugzeug-Ingenieur einmal die Woche als Schrauber tätig. Endlich mal was „Echtes machen“. Mit den eigenen Händen arbeiten – das ist für ihn ein guter Ausgleich. Und eine erfüllende Aufgabe.

Im Blaumann steht Fritz in der großen Halle, dem „Schraublabor“, und werkelt an einem Mountainbike. Seit Anfang des Jahres ist er bei „Westwind“. „Sich zu engagieren, sehe ich als Notwendigkeit. Gerade in diesen Zeiten, in denen wir Sorge haben müssen um unser friedliches Leben. Dieser solidarische Grundgedanke treibt mich an.“ Er erinnert sich noch genau an den Donnerstagnachmittag, als er mit seinen Söhnen (9, 12 und 14 Jahre) das erste Mal in der Werkstatt stand. Fritz fühlte sich direkt aufgehoben und zugehörig.

Die Bessermacher – eine Aktion von MOPO und Haspa MOPO
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Das war Fritz‘ größte Herausforderung

Zwar ist er kein Profi-Schrauber, aber mit Fahrrädern kennt Fritz sich aus. Schon als Kind reparierte er gerne Räder. Später waren es dann Motorräder. Und seitdem er Kinder hat, würden ihm seine drei Söhne ohnehin ständig kaputte Bikes vor die Nase stellen. Trotzdem gibt es ab und an auch Momente, die ihn überfordern. Seine größte Herausforderung war eine Sieben-Gang-Hinterradnabe. Mit der war Fritz stundenlang beschäftigt. „Das lag aber mehr an mir. Ich bin ja quasi noch in der Lehre“, sagt der ruhig wirkende Mann aus Wedel lachend.


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Das Schönste sind für ihn die Ausgabetage. Normalerweise einmal im Monat. Momentan wegen der großen Nachfrage häufiger. Beim letzten Mal wurden 69 Räder (für 15 bis 50 Euro) ausgegeben. So viele wie noch nie. Dabei läuft es wie im Laden. Die Geflüchteten und Bedürftigen suchen sich ein Rad aus. Für viele ein besonderes Erlebnis. „Sie schauen sich in Ruhe um, machen Probefahrten, wir beraten.“ Manche hätten noch nie ein Rad besessen. Da müssen Fritz und seine Mitstreiter dann eine längere Einweisung machen.

Besonders berührt es den ehrenamtlichen Helfer, wenn Kinder und Jugendliche nach der Probefahrt strahlend zurückkommen. „Das ist für mich Antrieb genug.“ Zumal es für ihn nicht immer einfach ist, sein Engagement unterzubekommen – neben drei Kindern und seinem Job als Ingenieur bei einem Hamburger Flugzeugbauer. Da sitzt er den ganzen Tag am Schreibtisch und entwickelt elektrische Systeme für Kabinen. „Aber bei Westwind kann man auch mit wenig Zeit viel erreichen.“

Sozialer Verein: So ist „Westwind“ entstanden

Der Verein entstand 2015. Als viele Menschen vor Gewalt, Terror und Krieg aus ihren Heimatländern flüchten mussten. Es ging darum, die Geflüchteten aus den häufig dezentralen Unterkünften mobil zu machen – damit sie am Leben in der Stadt teilhaben konnten. Die Hilfe begann mit zwei Mitgliedern. Den Gründern Christian Großeholz und Carmen Wilckens. Innerhalb kürzester Zeit stiegen Freiwillige mit ein. Heute sind es 26 Vereinsmitglieder. Eine Vollzeitstelle, zwei Teilzeitstellen und etwa 40 Ehrenamtliche.

Seit der Gründung hat der Verein ungefähr 2500 Räder ausgegeben. Und noch viel mehr angenommen. Die meisten Spenden sind in passablem Zustand. Manchmal seien die Räder aber auch extrem abgerockt. „Was schon auf dem Grund der Alster gelegen hat, können wir auch nicht retten.“  Allerdings werden alle Spenden angenommen. Es findet sich immer ein Ersatzteil, das die Schrauber noch gebrauchen können. Der Rest wird entsorgt. Etwa eine Tonne Stahlschrott kommt im Jahr zusammen.

Fummelarbeiten: Manchmal wird das Reparieren für Fritz knifflig. Florian Quandt
HASPA und MOPO suchen die „Bessermacher“: Hier: Fritz Urban (46) von „Westwind“
Fummelarbeiten: Manchmal wird das Reparieren für Fritz knifflig.

Neben der Ausgabe bietet ein Fahrradlehrer bei „Westwind“ Unterricht an. Größtenteils für Frauen aus Ländern, in denen Arabisch gesprochen wird,  oder aus Afghanistan, die noch nie gefahren sind. Vier bis fünf zehntägige Kurse im Jahr. Dafür soll die Lagerhalle in Stellingen jetzt zur Indoor-Übungsfläche umgebaut werden, damit die Fahrradkurse auch bei schlechtem Wetter stattfinden können.

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Für Fritz, der die fast 19 Kilometer von Wedel bis zur Halle mit dem Rad fährt, hat sein Engagement nicht nur einen sozialen Hintergrund. „Das Thema Fahrrad ist super geeignet, um Nachhaltigkeit zu leben. Wie viele Räder stehen ungenutzt in Kellern oder Schuppen? Und mit wenig Aufwand hat man ein Produkt, das Menschen glücklich macht und für Jahre wieder nutzbar ist.“ Fritz hofft, mit seinem Engagement zum Nachdenken anzuregen. Über den eigenen Konsum und die Wegwerfmentalität. Mülltrennung, Heizen, Hausdämmung, regional einkaufen, Auto fahren – Themen, die Fritz beschäftigen. Er versucht, bewusst zu leben. Das eigene Verhalten hinterfragen und umstellen. Das ist ihm wichtig.

Steckbrief Fritz Urban (46)

Ehrenamtlicher Schrauber bei „Westwind“/Ingenieur

Auto oder Fahrrad? Fahrrad. Unser Auto steht viel herum und hat mehr die Funktion eines Reisemobils.

 Bier oder Wein? Bier. Gerne alkoholfrei.

Schnitzel oder Veggie-Burger? Geht beides nebeneinander. Ich achte auf meinen Fleischkonsum, bin aber kein Vegetarier.

Kind oder Haustier? Ich habe drei Söhne. Ein Haustier habe ich nicht.

Nordsee oder New York? Nordsee. Ich liebe den frischen Wind. Wir haben so tolle Ecken vor der Tür. Das ist mir durch Corona wieder bewusst geworden.

Kiez-Club oder Elphi? Tendenziell Kiez-Club. Ich mag diesen ursprünglichen Teil von Hamburg und bin hier sehr verwurzelt, auch wenn ich in Wedel lebe.

Heavy Metal oder Klassik? Dann eher Klassik. Aber eigentlich bin ich ein großer Freund des Jazz.

Yoga oder Fitnessstudio? Fitnessstudio. Ich habe ein Abo, müsste mal wieder hingehen.

Fahrradketten, Helme und Schlösser

Haspa finanziert Ersatzteile und Zubehör für den Verein „Westwind“

Gutes verdient Unterstützung. Mit der Aktion „Die Bessermacher“ wollen wir nicht nur engagierte Menschen zeigen. Die Projekte bekommen auch finanzielle Hilfe und langfristige Unterstützung.

„Westwind Hamburg“ wünscht sich Ersatzteile wie Fahrradketten und Zubehör wie Helme, Schlösser und Schläuche. Die Haspa kümmert sich um die Finanzierung mit Fördermitteln aus dem „Haspa LotterieSparen“.

Die Haspa Eidelstedt wird Filialpate. „In Hamburg sollten alle ein Rad haben“, findet Filialdirektor Gunnar Off. „Nachhaltige Fortbewegung als gelebte Willkommenskultur – das überzeugt sofort.“

Wie es durch die Hilfe mit dem Projekt vorangegangen ist, erfahren Sie im Bessermacher-Recall. Die MOPO bleibt dran und berichtet!

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