• Carolin Stüdemann (Viva con Agua, v.l.) mit Jessica Louis und Nürsen Kaya von „Eeden“. „Eeden“ eröffnet voraussichtlich wieder im Juni, mehr Infos unter eedenhamburg.de
  • Foto: Florian Quandt

Besuch bei visionären Frauen: „Heute entscheidet sich, wie wir morgen zusammenleben“

Umweltzerstörung, Ausbeutung, Klimawandel – so wie jetzt können wir nicht weitermachen. Die MOPO stellt gemeinsam mit „Viva con Agua“-Geschäftsführerin Carolin Stüdemann in der Serie „Auf ein Wasser mit …“ Unternehmer*innen und Vordenker*innen vor, die eine bessere Welt schaffen. Heute: Nürsen Kaya, Jessica Louis & Kübra Gümüsay von „eeden“, die engagierte und visionäre Menschen zusammenbringen, um gemeinsam an Lösungen für eine gerechtere Gesellschaft zu arbeiten.

Carolin Stüdemann: Kübra, Jessica und Nürsen, gemeinsam mit der Musikerin Onejiru seid ihr angetreten mit der Idee, einen experimentellen Ort für visionäre Frauen zu schaffen. Was möchtet ihr damit bewirken?

Auf ein Wasser mit Viva con Agua MOPO

Auf ein Wasser mit: Die Interview-Reihe von Viva con Agua und MOPO

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Viva con Agua

Jessica: Genau, wir möchten engagierte, visionäre Menschen, insbesondere Frauen, aus verschiedenen Bereichen – von Kunst über Musik, Wissenschaft und Politik bis hin zu Medien und Wirtschaft – zusammenbringen und ihnen die Möglichkeit geben nicht nur nebeneinander, sondern auch miteinander zu arbeiten. An Projekten, die die Welt ein bisschen besser machen.

Credit_ Bettina Theuerkauf KübraGümüsay-highres-3 bettinatheuerkauf@gmx.de

Kübra Gümüsay hat „eeden“ mit geschaffen. Es soll ein Ort sein, an dem engagierte und visionäre Menschen zusammenkommen, um gemeinsam an Lösungen für eine gerechtere Gesellschaft zu arbeiten.

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Bettina Theuerkauf

Denn die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt, die salonfähig gewordenen menschenfeindlichen Positionen, der Hass im Netz – all das macht uns große Sorgen. Darüber hinaus hat die Pandemie sehr deutlich gemacht, dass eine solidarische, gemeinwohlorientierte Gesellschaft nur durch Kollaborationen funktionieren kann. Sobald es die politische, gesundheitliche Situation erlaubt, werden wir Salons, Konzerte, Lesungen und zahlreiche andere Events durchführen, die zum gemeinsamen Denken, Diskutieren und Gestalten einladen.

Nürsen: Unser Gefühl ist: Nicht nur die Sehnsucht nach Veranstaltungen und gemeinsamer Unterhaltung ist groß, sondern auch der Wunsch nach gemeinschaftlicher Arbeit für eine bessere Gesellschaft. Nach neuen Netzwerken, neuen Visionen. Wir freuen uns darauf, ab Juni loslegen zu können und unsere Räumlichkeiten für Workshops und Meetings zu vermieten.

Die Pandemie macht viele Menschen mürbe und kann ziemlich frustrierend sein. Ihr dagegen versprüht Aufbruchstimmung. Woher kommt das?

Kübra: Es ist frustrierend – und manche möchten zurück zur „Normalität”, das stimmt. Aber das vergangene Jahr war sehr lehrreich. Es hat gezeigt: Offenbar ist ein anderes Zusammenleben möglich. Wenn der politische Wille da ist, lassen sich umwelt- und klimaschädliche Gewohnheiten drastisch herunterschrauben. Und es ist nochmal deutlich geworden, dass die Herausforderungen unserer Zeit – von der Klimakrise bis zu Rassismus und Sexismus – menschengemacht sind. Also liegt es auch an uns sie zu lösen. Das bewegt aktuell viele Menschen – und uns motiviert es, diesen Menschen Orte zur Verfügung zu stellen, an denen sie ihre Vorstellungen von Zukunft diskutieren und üben können.

Kurz vor der Pandemie hast du dein Buch „Sprache und Sein“ veröffentlicht, Kübra. Welche Bedeutung hat Sprache für gesellschaftliche Entwicklungen?

Kübra: Sprache kann unsere Wahrnehmung beeinflussen. Das kennen alle, die mehrere Sprachen sprechen und Wörter entdeckt haben, für die es keine einfache Übersetzung gibt. Das japanische Wort „komorebi” beschreibt zum Beispiel das Sonnenlicht, das durch die Blätter von Bäumen schimmert. In meinem Buch ergründe ich unter anderem, wie Sprache unsere politischen Debatten und die Wahrnehmung von Menschen beeinflusst. Kleiner Spoiler: Sprache kann einen großen Einfluss darauf haben, wie Menschen die Welt sehen.

In den vergangenen Monaten wurde auch viel über rassistische, ausgrenzende Sprache diskutiert. Oft sehr destruktiv. Warum?

Kübra: Dafür gibt es viele Gründe. Bei der Diskussion um Sprache und Ausdrucksweisen geht es auch um Macht, Deutungshoheit und das Aufbrechen von Normen. Häufig wird so getan, als ginge es um Verbote. Man dürfe dieses oder jenes ja wohl noch sagen, heißt es dann. Mich stört dabei, dass so viele erwachsene Menschen sich damit beschäftigen, wie verletzend, gewaltvoll, ignorant sie sein dürfen, bevor es gerichtlich angreifbar wird. Das ist doch ein Armutszeugnis. In meinem Buch versuche ich zu zeigen, dass man durchaus besonnen und konstruktiv an diese Themen herangehen kann. Denn in der Debatte um gerechtere Sprache geht es letztlich darum, wie wir als Gesellschaft respektvoller, zugewandter, konstruktiver miteinander sprechen, diskutieren und streiten können. Und in einer pluralen und demokratischen Gesellschaft sollte dies ein erstrebenswertes Ziel sein. Für alle.

Auch mit eeden macht ihr auf gesellschaftliche und strukturelle Ungleichheit aufmerksam und bietet Raum, Lösungen dafür zu entwickeln. Welchen Mehrwert bietet ihr im Vergleich zu anderen Co-Working-Einrichtungen?

Nürsen: eeden bietet die Möglichkeit, Teil einer inspirierenden, nährenden Gemeinschaft zu sein. Alle lernen voneinander und profitieren von den ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven. Im Prinzip ist es ähnlich wie bei euch: Viva con Agua sieht sich doch als „All-Profit”-Organisation, sucht aktiv nach Potenzialen und Synergien statt in Konkurrenzen zu denken. Für uns ist es ein unheimlich ermutigendes und beflügelndes Gefühl, zu spüren, dass wir gemeinsam einen Unterschied machen und vorangehen können, insbesondere in dieser Zeit.

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Wie kann das konkret aussehen, was erhofft ihr euch als Ergebnis?

Jessica: Zur Zeit überlegen wir, wie wir Kunst und Kultur nicht einfach nur auf die Bildschirme, sondern trotz Lockdown auch analog zu den Menschen bringen können. Unserer Meinung nach wird die psychische Dimension der Pandemie stark unterschätzt. Sie ist aber Voraussetzung für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität. Und indem wir Kultur und somit Freude, Begegnung und Hoffnung ermöglichen, stärken wir die Psyche der Menschen, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

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