„Missbilligen Verhalten“: Rechnungshof stellt Stadt Katastrophenzeugnis aus
Behörden, die an der Bürgerschaft vorbei Millionen ausgeben, Sozialleistungen, die ohne jede Prüfung rausgehauen werden, absurd hohe Mieten für Flüchtlingsheime: Was der Rechnungshof bei der jährlichen Haushaltskontrolle herausgefunden hat, ist haarsträubend. Am Montag haben die Prüfer ihren Jahresbericht für die Ausgaben im Jahr 2023 vorgestellt – und wäre der ein Zeugnis, dann wäre es eine Fünf minus für die Stadt Hamburg.
Besonders schlecht schneidet die Innenbehörde ab, die im Jahr 2023 rund 21 Millionen Euro mehr ausgegeben hat, als die Bürgerschaft bewilligt hatte. „In Bezug auf die Behörde für Inneres und Sport hat der Rechnungshof deren Verhalten missbilligt und zum Ausdruck gebracht, dass er die Entwicklung in den letzten Jahren mit Sorge betrachtet“, heißt es in dem Bericht. „Der Ausdruck ,missbilligt‘ kommt nur alle paar Jahre im Bericht vor“, so Manfred Jäger als Präsident des Rechnungshof in der Pressekonferenz. Quasi „Setzen, sechs“.
Innen- und Wirtschaftsbehörde haben zu viel ausgegeben
Auch die Wirtschaftsbehörde hat bereits Geld ausgegeben, das erst im nächsten Haushaltsjahr zur Verfügung stehen sollte: Insgesamt haben Innen- und Wirtschaftsbehörde 13 Millionen Euro zulasten künftiger Haushaltsjahre ausgegeben, „ohne, dass die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren.“ Darüber hinaus gebe es in verschiedenen Behörden eine Vielzahl „Ermächtigungsüberschreitungen in Millionenhöhe“, das heißt: Die Behörden haben Geld ausgegeben, das eigentlich vorher von der Bürgerschaft hätte bewilligt werden müssen. Jäger: „Das Parlament kann erwarten, dass die Exekutive sich an die Spielregeln hält. Das ist in diesem Fall nicht passiert.“
Dazu prangern die Prüfer eine Vielzahl von Fällen an, in denen die Stadt ohne Kontrolle Sozialleistungen zahlt und Betrügern das Leben leicht macht: „Die gegenwärtige Rechtslage begünstigt Leistungserschleichungen.“
- Trotz des erheblichen technischen Fortschritts werden die Angaben von Antragstellern kaum überprüft. So hätten Bezirksämter seit fünf Jahren keinen automatisierten Datenabgleich durchgeführt. Die zustände Sozialbehörde begründet das mit Personalmangel und Softwarefehlern. Die Folge: Wenn ein Antragsteller über Einkünfte oder Vermögen, etwa eine Immobilie, verfügt, fliegt der Betrug mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf, weil das „automatisierte Grundbuchabrufverfahren“ und das Kontenabrufverfahren nicht durchgeführt werden. Das Jobcenter, lobt der Rechnungshof, habe seinen Bereich besser im Griff: Das Bürgergeld wird deutlich schärfer kontrolliert.
- Beim Sozialrabatt für HVV-Zeitkarten reicht es, wenn Antragsteller ihre Berechtigung selbst erklären. Eine behördliche Bestätigung wird nicht mehr verlangt. Überhaupt hält der Rechnungshof die Rabatthöhe von 35,50 Euro im Monat für überprüfungsbedürftig, da die Regelsätze ja gestiegen seien. 41 Millionen Euro zahlte Hamburg an Zuschüssen für die Monatskarten – ohne Kontrollen.
- Bei der Unterbringung von Geflüchteten können Vermieter Höchstpreise von der Stadt verlangen, müssen dafür aber nur sehr geringe Flächen zur Verfügung stellen: „Hinsichtlich der Unterkunftskosten fördern die bestehenden Regelungen Möglichkeiten für Mietwucher“, stellen die Prüfer fest.
- Das städtische Unternehmen „Fördern und Wohnen“, das die Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete betreibt, kann die Kosten nicht transparent erklären, etwa wenn in Verträgen eine zu hohe Platzzahl angenommen wird oder Leistungen doppelt bezahlt werden. In zwei Fällen seien Verträge mit Betreibern geschlossen worden, deren Personalkosten drei Mal so hoch sind wie bei anderen. Auch kassierten einige Firmen, die sich im Auftrag der Stadt um die Flüchtlinge kümmern, viel zu viel Geld für deren Verpflegung: In einem Fall wurde allein ein Wareneinsatz von 810 Euro pro untergebrachter Person und Monat vereinbart, während andere Betreiber pro Person 427 Euro (einschl. Personalkosten) berechnen. Die Prüfer: „Bei der Leistungsvergabe hat F&W teilweise gegen das Vergaberecht verstoßen.“
Kritik an Kosten für U5
Was die Prüfer ebenfalls bemängeln: die Planung der U5 Ost, deren Kosten von 1,8 Milliarden (2019) auf 2,9 Milliarden (2023) gestiegen sind: „Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) hat vor der Entscheidung über den Bau der U5-Ost keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorgelegt“, so die Prüfer. Wie die Behörde die Kosten ermittelt habe, entspreche nicht den Vorgaben für kostenstabiles Bauen: „Die von der BVM geäußerte Auffassung, mit diesem Vorgehen einen Beitrag zur Sicherung der Haushaltswahrheit geleistet zu haben, teilt der Rechnungshof ausdrücklich nicht.“
Auch die Sanierung des Ehestorfer Heuwegs im Bezirk Harburg prangert der Rechnungshof an. Die Arbeiten seien schlampig vorbereitet gewesen, was zu teuren Umplanungen geführt habe. Ein Beispiel: Die unverhältnismäßig teure Pflanzung von Stieleichen als ökologische Ausgleichsmaßnahme erfolgte verkehrsgefährdend nah an der Fahrbahn in einem für die ausgewachsenen Bäume viel zu schmalen Pflanzstreifen. Der Rechnungshofpräsident hörbar fassungslos: „Beim Anblick der Pflanzungen kam mir Schilda in den Sinn.“ Nach elf Jahren Planung und Bau waren die Kosten von 6,1 auf 17,7 Millionen Euro gestiegen. Dabei habe Stadt auch Summen übernommen, die gar nicht in ihren Bereich fielen: „4,7 Millionen Euro für Umlegungen von Versorgungsleitungen und Oberflächenentwässerungen, die grundsätzlich von Dritten hätten übernommen werden müssen, wurden von Hamburg gezahlt.“
Zu große Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen
Der Rechnungshof moniert auch die Kosten für überdimensionierte Fahrradparkplätze an Bahnhöfen: „An 13 Haltestellen überstieg die Anzahl der geförderten Stellplätze teilweise erheblich den zuvor ermittelten Bedarf. Mehrkosten von rund 2,6 Millionen Euro waren die Folge.“ Auch die Übernahme von Sporthallen geschlossener Schulen durch die Stadt stößt auf Kritik: Ohne den Zustand der Hallen zu prüfen, hat die Stadt sich Sanierungskosten von 10 Millionen Euro ans Bein gebunden.
Gut für Gastronomen, schlecht für die Stadt: Der Rechnungshof mahnt, dass Hamburg für Gastronomie auf den Stegen der Außenalster zu wenig Geld verlangt. Zehn Grundstücke mit Alsterblick überlässst die Stadt Gastronomen oder Sportvereinen, die ebenfalls Gastronomie betreiben.
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Und auch pensionierte städtische Beamten profitieren vom Langmut der Hamburger Verwaltung: eine Millionen Euro wurden zu viel an Pensionen gezahlt, weil die Stadt nicht überprüft, ob die Pensionäre nicht auch anrechenbare weitere Renten bezieht. Dass die Prüfer auch kleinste Einnahmemöglichkeiten der Stadt in den Blick nehmen, zeigt die Kritik am Staatsarchiv: Das kassiert von seinen Mitarbeitern zu wenig Miete für Stellplätze.
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