Corona: Drosten: Darum findet man mit Schnelltests nicht alle Infektionen
Sie sollten der „Game Changer“ der Pandemie werden: Corona-Schnelltests. Einmal kurz mit einem Wattestäbchen in der Nase bohren, 15 Minuten warten – und schon ist klar, ob man ansteckend ist oder nicht. Schulen, Arbeitsplätze, Cafés, Hotels und Geschäfte sollten so trotz Pandemie sicher werden, alle Modellversuche basieren auf ihrer Zuverlässigkeit. Doch jetzt zeigt sich: Ganz so sicher wie erhofft sind die sogenannten Antigentests, die man in Testzentren machen oder in Apotheken und Drogerien kaufen kann, nicht.
Deutschlands Ober-Virologe Christian Drosten versetzte allen, die mit Schnelltests das Leben wieder hochfahren wollen, in seinem Podcast einen deutlichen Dämpfer.
„Die Schnelltests schlagen erst am Tag eins nach Symptom-Beginn an, da ist man aber schon drei Tage lang infektiös“, erklärt Drosten neueste Forschungsergebnisse. „Wenn man davon ausgeht, dass eine infizierte Person in der Regel acht Tage lang ansteckend ist, heißt das: An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Antigentest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen.“
Tests schlagen auf bereits abgestorbene Zellen mit dem Virusgen an
Aber warum sind die Schnelltests am Anfang der Krankheit unwirksam? Kurz gesagt: Die Tests schlagen auf bereits abgestorbene Zellen mit dem Virusgen an. In der Frühphase der Krankheit gibt es die aber noch gar nicht in größerer Zahl.
„Wir testen auf tote Zellen mit einem Überschuss von rumliegendem Virus-Antigen, während schon zwei, drei Tage vorher die noch lebenden, frisch infizierten Zellen massenweise lebendes Virus rauspumpen, infektiöses Virus“, so Drosten. Dass man das erst jetzt so genau rausfindet, erklärt Drosten mit großflächigen Versuchsreihen, die am Anfang der Pandemie nicht möglich waren.
Wichtig für den Verlauf, bei einem positiven Test sofort zu handeln
Also alles für die Katz? Zum Glück nicht. „Wenn jemand symptomatisch ist, ist der Antigentest ein super Test“, so Drosten. In diesem Fall könne durch einen Schnelltest zügig bestimmt werden, ob es sich um Corona oder doch eine andere Krankheit handle. Essentiell sei es, dass bei einem positiven Testergebnis unverzüglich gehandelt werde.
„Was man also machen sollte: Bei dem ersten positiven Fall gleich die Annahme treffen, hier liegt ein Cluster vor und und dann entsprechende Quarantänemaßnahmen treffen“, erklärt Drosten. Ein Fehler sei es, auf das Ergebnis des PCR-Tests zu warten und erst dann zu handeln.
Bei Cluster-Testungen werden laut Drosten viele Infzierte übersehen
Gerade für die Erkennung von Infektionsherden an Schulen oder auch Arbeitsplätzen sei der Schnelltest daher laut Drosten sehr gut geeignet. In der am Dienstag vom Bundeskabinett beschlossenen Notbremse werden Schulen dazu verpflichtet, ihre Schüler zwei mal pro Woche zu testen. Drosten hält diese Regelung für sinnvoll.
Zwar würden bei Cluster-Testungen 40 bis 60 Prozent der Infizierten übersehen. Aber: „Selbst wenn bei einer Testung nicht alle Infektionen entdeckt werden, bei der nächsten Testung nach zwei oder drei Tagen werden die Infektionen dann nachgewiesen. In Gruppenclustern ist solch ein geringer zeitverzögerter Effekt kein Problem.“
In Hamburg werden Schüler bereits seit dem 22. März getestet.
Die Voraussetzung sei, dass regelmäßig getestet wird. Schulen und Kitas würden bei positiven Ergebnissen schnell mit einer Quarantäne reagieren und könnten so während der Pandemie die Kontrolle behalten.
In Hamburg werden Schüler bereits seit dem 22. März zwei mal pro Woche getestet. Ein Beispiel aus Wilhelmsburg zeigt, dass sich der Aufwand lohnt: Nachdem es an einer Grundschule vereinzelte Infektionsfälle gab, werden aktuell Reihentestungen in der gesamten Schule durchgeführt. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse wird der Unterrichtsbetrieb ausgesetzt, um eine Ausbreitung des Virus zu stoppen.
Drosten: Bei körperlicher Arbeit besteht größere Infektionsgefahr.
Neben den Schulen sind laut Regierungsbeschluss Unternehmen verpflichtet, ihren Mitarbeitern mindestens einen Schnelltest pro Woche anzubieten. Auch das hält Drosten trotz der Mängel für sinnvoll, wobei möglicherweise im Detail nachjustiert werden müsse. Beispielsweise bestünde bei körperlicher Arbeit eine größere Infektionsgefahr.
Auch seien Cluster bei kleineren Gruppen deutlich schwieriger zu erkennen.
Laut Hamburgs DGB-Chefin Katja Karger müssten aktuell „bis zu 40 Prozent der Beschäftigten ohne Testmöglichkeit arbeiten“. Sie begrüßt daher die Testpflicht für Firmen.
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Für Modellprojekte mit Lockerungen basierende auf negativen Schnelltests, „Passporting“ genannt“ sieht Drosten dagegen schwarz. Aufgrund der oben beschriebenen Probleme passiere es häufig, dass Infizierte munter in Geschäfte oder auf Veranstaltungen gingen, obwohl sie bereits ansteckend seien. Drosten: „Es ist nicht so simpel, wie es in der Politik dargestellt wird – nach dem Motto: Jetzt kann alles öffnen, weil wir ja die Schnelltests haben.“