Corona-Hotspots: Berlin-Neukölln als „Vorbote“ für Hamburg?
Nirgendwo in Deutschland war die Zahl der Neuinfektionen zuletzt so hoch wie in dem Berliner Stadtteil Neukölln. Doch auch andere Gegenden Deutschlands drohen zu neuen Corona-Hotspots zu werden. Zeigt sich in Berlin-Neukölln, was bald auch auf Hamburg zukommen könnte?
Die Augen sind in diesen Tagen auf Berlin-Neukölln gerichtet. Der Grund ist ein trauriger: Der Hauptstadt-Bezirk ist derzeit absoluter Spitzenreiter, was Corona-Neuinfektionen angeht. Der Inzidenzwert liegt aktuell bei 186,1 (Stand Sonntag). Der Amtsarzt Neuköllns befürchtet eine Entwicklung wie in seinem Bezirk auch anderswo. „Was wir jetzt schon in Neukölln erleben, sind nur die Vorboten von dem, was wir wahrscheinlich in allen Metropolen des Landes erleben werden“, sagte Nicolai Savaskan dem „Tagesspiegel“. Neukölln sei der Sensor für das ganze Land.
Corona in Deutschland: Viele Neuinfektionen nicht nachvollziehbar
Doch wo kommen die Neuinfektionen überhaupt her? Die Gesundheitsämter sehen in ganz Berlin ein immer diffuseres Bild. Etwas über zehn Prozent der Fälle seien Ausbrüchen zuzuordnen, bei rund 90 Prozent sei die Quelle nicht eindeutig festzustellen, so Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci. Amtsärzte würden eine nachlassende Kooperationsbereitschaft von Infizierten bemerken: Insbesondere nach Ausbrüchen bei großen Hochzeitsfeiern sei beobachtet worden, dass manche Menschen Angaben über ihre engen Kontakte verweigerten.
Als „plötzliche Amnesie“ bezeichnet das Neuköllns Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU). Verschiedene Motive seien denkbar, womöglich gehöre eine Angst vor Bußgeld dazu. Wer nicht getestet wird und nicht in Quarantäne kommt, weil die Ämter nichts vom Risikokontakt wissen, kann das Virus weiterverbreiten.
Corona-Maßnahmen in Hamburg: Das gilt aktuell
In Hamburg liegt der Inzidenzwert derzeit bei 49,8 (Stand Sonntag) – Tendenz steigend. Es ist damit zu rechnen, dass bereits am Montag der Grenzwert von 50 überschritten wird. Und dann? Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, Kontakte im öffentlichen Raum in diesem Fall auf zehn Personen zu beschränken – das gilt auch für Feiern. Im privaten Bereich dürften sich dann nur noch maximal zehn Personen aus zwei Haushalten treffen. Veranstaltungen würden auf eine Teilnehmerzahl von 100 begrenzt und Gastronomiebetriebe müssten um 23 Uhr schließen und sich an ein Alkoholverkaufsverbot halten.
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburgs Schulsenator: Wenn dieser Fall eintritt, weiten wir die Maskenpflicht aus
Zum 17. Oktober wurden die Maßnahmen in Hamburg bereits verschärft: Feierlichkeiten außerhalb des eigenen Wohnraums sind seitdem nur noch mit bis zu 25 Personen zulässig, private Feierlichkeiten im eigenen Wohnraum mit höchstens 15 Personen erlaubt. In Schulen soll nun alle 20 Minuten gelüftet werden und eine Maske ist in Berufsbildenden Schulen und den Oberstufen der allgemeinbildenden Schulen auch im Unterricht Pflicht. Die Sperrstunde und das Alkoholverkaufsverbot für Gastronomiebetriebe gilt in Hamburg bereits.
Das könnte Sie auch interessieren: Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Feiern: Die Corona-Verschärfungen im Überblick
Hamburg: Ordnungsamt prüft Einhaltung der Corona-Regeln
Auch in Hamburg können die Infektionen nicht immer nachverfolgt werden. Ein entscheidender Faktor ist dabei auch, dass Menschen in Gastronomiebetrieben falsche Kontaktangaben machen. Das Ordnungsamt ist an Wochenenden bereits unterwegs, um die Einhaltung der Corona-Regeln in Bars zu prüfen – doch es mangelt an Personal.
Virologe Jonas Schmidt-Chanasit lobt Hamburg
Beim Masketragen dagegen verhalten sich die Hamburger anders als viele Hauptstädter dagegen bisher vorbildlich. Das könnte laut dem Virologen Jonas Schmidt-Chanasit ein Vorteil sein. Für die Hansestadt hat er ohnehin viele lobende Worte übrig. Er selbst pendelt für seine Arbeit regelmäßig in die Hansestadt, wohnt allerdings noch mit Frau und Sohn in Berlin. An der dortigen Charité hat er Medizin studiert.
Der 41-Jährige beschreibt die Corona-Zustände in der Hauptstadt, vor allem in Neukölln, als nicht mehr kontrollierbar. „Das war aber vollkommen vorhersehbar“, sagt er im MOPO-Interview. Sein Gesicht nimmt einen verärgerten Ausdruck an. „Der springende Punkt ist, dass man die bestehenden Regeln umsetzen und kontrollieren muss! Und in Neukölln und Kreuzberg ist das überhaupt nicht gelungen.“ (dpa/mhö)