Corona-Studien zeigen: Infektionsrisiko: Wo wir uns anstecken – und wo nicht
Seit Mitte Dezember befindet sich Deutschland mittlerweile im Dornröschenschlaf. Kneipen, Restaurants, Geschäfte, Schulen und viele weitere Bereiche des öffentlichen Lebens sind aufgrund der Corona-Pandemie dicht. Aber nicht überall sind die Ansteckungsgefahr und die Auswirkung auf das Infektionsgeschehen gleich groß. Wo kommen Infektionen besonders häufig vor? Welche Ansteckungsorte haben den größten Einfluss auf das Pandemiegeschehen und wie sehr ist das Gesundheitssystem davon betroffen? Die MOPO hat die Antworten auf diese Fragen aus verschiedenen Studien zusammengefasst.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat vergangene Woche neben einer Strategie zur stufenweisen Öffnung auch eine Analyse des Infektionsrisikos in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens veröffentlicht. So wurden beispielsweise Alten- und Pflegeheime, Gastronomie, Schulen und Kitas oder der ÖPNV auf ihre Ansteckungsrisiken untersucht. Dabei fällt auf, dass zahlreiche Lebensbereiche, die seit Monaten wegen des Lockdowns geschlossen sind, laut RKI nur ein niedriges Risiko für Infektionen bergen.
RKI-Studie: Wo steckt man sich am häufigsten an?
Darunter der Einzelhandel, Hotels und Fahrten im Fernverkehr der Bahn. Diese Bereiche haben auch kaum einen Einfluss auf das gesamte Infektionsgeschehen in Deutschland und die daraus folgende Belastung für das Gesundheitssystem. Alten- und Pflegeheime hingegen haben ein hohes Infektionsrisiko und auch der Anteil am gesamtdeutschen Infektionsgeschehen ist bei diesen Einrichtungen hoch. Durch die vielen Risikopatienten sind auch die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem in diesem Bereich am höchsten.
In Theatern, Kinos, Museen und der Gastronomie gibt das RKI das Infektionsrisiko als niedrig bis moderat an, genauso wie den Anteil am gesamten Infektionsgeschehen. Doch auch hier gilt der Lockdown bereits seit November. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Untersuchung des Hermann-Rietschel-Instituts der Technischen Universität Berlin (TU), die das Infektionsrisiko mit einem situationsbedingten R-Wert angibt, der sich aus verschieden Faktoren wie Aufenthaltsdauer und Art der Aktivität im Raum zusammensetzt. Ein R-Wert von 1 bedeutet hierbei, dass eine Person eine weitere Person ansteckt.
Theater, Kino, Museum: niedriges bis moderates Risiko
Theater, Opern und Museen mit einer Belegung von 30 Prozent und Maskenpflicht kommen bei dieser Berechnung lediglich auf einen R-Wert von 0,5. Auch bei 40 Prozent Auslastung liegt der Wert nur bei 0,6. Beim Kino liegt der Wert je nach Auslastung bei 1,0 und 1,1. Ein Restaurantbesuch wird je nach Auslastung mit 1,1 bis 2,3 bewertet.
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Kein Wunder also, dass Vertreter aus Kultur und Einzelhandel sich über die Maßnahmen beschweren, die diese Branchen besonders hart treffen. Alexander Otto, Chef der Hamburger Einkaufscenter-Gruppe ECE beklagte daher am Donnerstag im „Hamburger Abendblatt“ die fehlende Homeoffice-Pflicht. „Die Folge ist, dass Beschäftigte weiter über Stunden gemeinsam in Großraumbüros sitzen, obwohl sie auch zu Hause arbeiten könnten. Dort ist das Infektionsrisiko viel größer als im Handel.“
Corona-Maßnahmen: Einzelhandel fühlt sich benachteiligt
Das stimmt! Laut Untersuchung der TU kommt ein zur Hälfte besetztes Mehrpersonenbüro auf einen R-Wert von 8,0, während Shopping mit Maske nur auf einen Wert von 1,1 kommt und das Infektionsgeschehen hier somit acht mal geringer ist als am Arbeitsplatz.
Bei der Auflistung des RKI hingegen gilt für Betriebe und Arbeitsplätze kein allgemeines Risiko, da es hier von der Art der Tätigkeit abhängt, beispielsweise ob der Arbeitsplatz an der Kasse, im Einzel- oder Mehrpersonenbüro angesiedelt ist. Eines zeigt aber auch die RKI-Auswertung: In Innenräumen ist das Ansteckungsrisiko 20-fach erhöht. „Die Mehrzahl aller dokumentierten Fälle sind auf das Cluster Innenräume zurückzuführen“, heißt es in dem Papier.
Corona: Hohes Infektionsrisiko am Arbeitsplatz
Ein achtstündiger Arbeitstag im Büro besitzt daher auch beim RKI ein hohes Infektionsrisiko. Warum immer noch viele Betriebe auf Präsenzarbeit setzen, während andere Bereiche des öffentlichen Lebens geschlossen bleiben, ist daher kaum nachzuvollziehen. Auch eine Langzeitstudie von Konstanzer Arbeitsforschern kommt zu dem Schluss, dass je nach Aktivität bei der Präsenzarbeit vier- bis achtmal mehr Infektionen entstünden als beim Homeoffice.
Corona: Auch Schulen gefährlicher als Einzelhandel
Auch die Öffnung der Schulen kann Alexander Otto nur bedingt verstehen. „Studien zeigen, dass die Ansteckungsgefahr in Schulen aufgrund der Vielzahl der Kontakte über einen langen Zeitraum dreimal so hoch ist wie im Handel.“
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Aus den Daten von RKI geht das so nicht hervor. Kitas und Grundschulen haben hier ähnlich wie Unis und der ÖPNV ein moderates Risiko. Die Untersuchung der TU zeigt allerdings, dass eine zur Hälfte belegte Oberschule mit Maskenpflicht bereits auf einen R-Wert von 2,9 kommt. Eine vollbesetzte Oberschule ohne Maske liegt mit einem Wert von 11,5 an der Spitze. Otto fordert daher eine Öffnung des Einzelhandels unter Auflagen ab dem 8. März. Die Untersuchungen der TU und des RKI könnten dabei hilfreich sein.