Coronavirus in Deutschland: Wie realistisch sind aktuelle Hochrechnungen?
Wenn man den Hochrechnungen glaubt, sieht es für Deutschland düster aus: Immer wieder ist die Rede davon, dass sich bis zu 70 Prozent der Bevölkerung infizieren werden – bei einer von vielen Experten erwarteten Sterblichkeitsrate in Deutschland von einem Prozent macht das dann 560.000 Tote hierzulande. Doch wie realistisch sind diese Zahlen?
Gut zwei Drittel der Deutschen sollen sich mit dem Coronavirus infizieren. Diese Zahl fiel in letzter Zeit häufiger, sogar Angela Merkel sprach davon. Doch offenbar sind die genannten 60 bis 70 Prozent missverstanden worden und klingen viel dramatischer, als sie eigentlich gemeint waren. Im NDR-Podcast klärt Virologe Christan Drosten von der Berliner Charité Anfang März auf: „Diese 60 bis 70 Prozent ist eigentlich nur eine Zahl, die sagt, wann die Pandemie vorbei ist“.
Coronavirus: Wie realistisch sind aktuelle Hochrechnungen?
Das bedeutet konkret: Drosten geht davon aus, dass jeder Infizierte bis zu drei weitere Personen ansteckt und nach der Genese immun ist. Sobald zwei von drei Personen, also gut zwei Drittel der Bevölkerung immun sind, habe das Virus kaum noch eine Chance, sich weiter auszubreiten. Die Immunität gegen die Sars-Cov-2 nach einer Erkrankung ist noch nicht bewiesen worden, wird aber von vielen Wissenschaftlern für wahrscheinlich gehalten.
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Und es gibt noch mehr Gründe, warum man mit Hochrechnungen vorsichtig umgehen sollte. Experten sind sich einig: Die Dunkelziffer für Corona-Fälle in Deutschland dürfte wesentlich höher liegen als die Anzahl der bekannten Fälle. Viele Menschen werden gar nicht getestet, andere merken möglicherweise nicht mal, dass sie erkrankt sind. Diese höhere Dunkelziffer bedeutet auch eine niedrigere Sterblichkeitsrate.
Coronavirus in Deutschland: Anzahl der Infizierten steigt rasant
Aktuell liegt die Sterblichkeitsrate laut Statista bei 0,3 Prozent in Deutschland –und damit im Vergleich zu beispielsweise Italien relativ niedrig. Die Zahl könnte aber steigen, wenn sich das Virus schneller ausbreitet und die Kapazitäten in den Krankenhäusern erschöpft sind, wie es in Italien bereits der Fall ist. Und da derzeit die Anzahl der Infizierten auch in Deutschland rasant steigt, muss jetzt gehandelt werden.
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Das Problem der Pandemie sei laut Drosten und anderen Experten nämlich nicht, dass sich viele damit infizieren, sondern wie schnell das passiert. Um die Zahlen niedrig zu halten, sind auch die scharfen Maßnahmen erforderlich. Der jetzige Zustand sei ein Extremfall und könne nicht lange aufrechterhalten werden, sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, auf einer Pressekonferenz am Mittwoch. Wir stünden am Anfang der Epidemie, deshalb sei die Eindämmung jetzt extrem wichtig, hieß es weiter.
RKI-Chef rechnet mit bis zu zehn Millionen Infizierten bis Juni
Hochrechnungen hin oder her: Entscheidend ist, dass das Verhalten der Menschen einen hohen Einfluss auf die Ausbreitung des Coronavirus haben wird: Je weniger Menschen sich mit dem Virus infizieren, desto besser können die Patienten behandelt werden, was wiederum weniger Tote bedeutet.
Falls das nicht passiert, könnten wir es bald wirklich mit Millionen Fällen zu tun haben. Der RKI-Chef warnte: „Wenn wir das nicht nachhaltig schaffen, ist es möglich, dass wir in zwei bis drei Monaten bis zu zehn Millionen Infizierte haben.“