Älterer Mann mit hellblauem Schlips
  • Christian Olearius (M) steht im Gerichtssaal neben seinen Anwälten Klaus Landry (2.v.r.) Peter Gauweiler (r) und Klaus Schünemann (l).
  • Foto: dpa | Oliver Berg

Cum-Ex-Banker (82) kommt ohne Strafe davon – aus einem bestimmten Grund

Er steht im Zentrum des größten Steuerraubes der Geschichte und kommt ungeschoren davon: Das Cum-Ex-Strafverfahren gegen Christian Olearius (82) wurde eingestellt. Nach einem Dreivierteljahr hat der frühere Chef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg die Anklagebank im Landgericht Bonn verlassen. Kurios: Die Staatsanwaltschaft hatte die Einstellung mit beantragt, kündigt aber trotzdem Revision an.

Die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf gab als Grund die angeschlagene Gesundheit des betagten Angeklagten an. Olearius hat unter anderem Blutdruckprobleme, bei den vergangenen Verhandlungstagen war auf Anordnung des Gerichts stets ein Notarzt im Saal anwesend. Bitter: Mit dem Einstellungsurteil bleibt die Schuldfrage unbeantwortet. Olearius meldete sich vor dem Urteil am Montag im Gericht zu Wort und beteuerte erneut seine Unschuld. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten das vorzeitige Ende des im September 2023 begonnenen Verfahrens beantragt. Dennoch kündigte Staatsanwältin Stephanie Kerkering  noch im Gerichtssaal an, dass man in Revision zum Bundesgerichtshof gehe, um sich so den Weg für ein sogenanntes „Einziehungsverfahren“ offenzuhalten. Die Staatsanwaltschaft will mit diesem Verfahren 43 Millionen Euro an „Taterträgen“ von Olearius zurückholen.

Untersuchungsausschuss läuft weiter

„Äußerst ärgerlich“ nennt Richard Seelmaecker, Obmann der CDU-Fraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg, die Einstellung des Verfahrens: „Das bedauern wir als CDU sehr, da nicht der Eindruck bei den Menschen entstehen darf, dass man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt. Wir werden als CDU im parlamentarischen Untersuchungsausschuss weiter ohne Ansehen der Person und lückenlos aufklären, wie es dazu kommen konnte, dass in Hamburg Cum-Ex praktisch gar nicht verfolgt, sondern durch die SPD-Politiker Scholz und Tschentscher sogar im Nachhinein gedeckt wurde.“ 

Mit Hilfe sogenannter Cum-Ex-Geschäfte ließen Finanzakteure sich Steuern erstatten, die sie zuvor gar nicht gezahlt hatten – Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch wurden in einem Verwirrspiel hin und hergeschoben. Dem Staat entstand dadurch ein zweistelliger Milliardenschaden. Die Hochphase dieser Geschäfte war in den Jahren 2006 bis 2011. Im Jahr 2021 wertete der Bundesgerichtshof Cum-Ex als Straftat. 

Vorerst keine Zahlung von 43 Millionen Euro

Die Staatsanwaltschaft hatte Olearius 15 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung vorgeworfen, wobei ein Steuerschaden von rund 280 Millionen Euro entstanden sein soll. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein. Eine Revision gegen das Einstellungsurteil vom Montag ist möglich, dies gilt aber als unwahrscheinlich. 

Zu Cum-Ex hat es am Bonner Landgericht seit 2020 bereits acht Schuldsprüche gegeben, eine Vielzahl an Verfahren dürften in den kommenden Jahren noch folgen. Im nun eingestellten Verfahren musste sich zum ersten Mal die Spitze eines Finanzinstituts vor Gericht Cum-Ex-Vorwürfen stellen. Olearius war früher Chef der Warburg-Privatbank und später ihr Aufsichtsratsvorsitzender, inzwischen ist er nur noch Gesellschafter. 

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Olearius bleibt vorerst erspart, an den Staat 43 Millionen Euro als damalige Taterträge zahlen zu müssen. Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, ein sogenanntes Einziehungsverfahren überzuleiten und dadurch gewissermaßen vom Strafverfahren abzukoppeln. Das lehnte das Gericht in der vergangenen Woche aber ab und wies darauf hin, dass die Ankläger hierzu bislang nicht fertig ermittelt hätten. Dies könnte die Staatsanwaltschaft später noch tun und dann ein separates Einziehungsverfahren anstrengen. Hierbei ginge es ums Geld und nicht um die Schuldfrage. Olearius müsste nicht mehr vor Gericht erscheinen. Nach Auskunft seines Sprechers hat er im Jahr 2020 gemeinsam mit dem Co-Gesellschafter Max Warburg wegen Cum-Ex bereits 230 Millionen Euro an den Staat gezahlt. 

Drei Treffen mit Olaf Scholz

Olearius ist einer der bekanntesten Cum-Ex-Akteure. Sein Vorgehen schlug auch in der Politik hohe Wellen. Denn aus Tagebucheinträgen von ihm ging hervor, dass er sich 2016 und 2017 insgesamt dreimal mit dem späteren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte, als dieser noch Erster Bürgermeister von Hamburg gewesen war. Der genaue Inhalt der Treffen ist unklar.

Fakt ist aber, dass die Finanzbehörde danach eine Steuerforderung fallen ließ und die Ansprüche nach damaliger Rechtslage verjährten. Dass ein kausaler Zusammenhang bestand zwischen den Scholz-Olearius-Treffen und der Behördenentscheidung, ist nicht erwiesen. Scholz schließt eine Einflussnahme aus, beruft sich bei der Frage nach dem genauen Inhalt der Gespräche aber auf Erinnerungslücken.  (dpa/ste)

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