Cum-Ex in Hamburg: Welche Rolle spielte Bürgermeister Tschentscher?
Der Cum-Ex-Skandal rund um die Warburg-Bank lässt die Hamburger Politik nicht los: Während der Untersuchungsausschuss derzeit versucht, Licht ins Dunkel zu bringen, tauchen neue Details auf, die zur Rolle von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Fragen aufwerfen.
Nahm Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher beim Verzicht der Stadt Hamburg auf mögliche Millionenrückzahlungen der Warburg Bank Einfluss? Wenn es nach ihm geht, nein. Klar ist mittlerweile allerdings, dass er damals bestens über den Fall informiert war.
Darum geht es beim Cum-Ex-Skandal in Hamburg
Zur Rekapitulation: Die Warburg-Bank ließ sich im Zuge von sogenannten Cum-Ex-Geschäften zwischen 2007 und 2011 insgesamt 169 Millionen Euro erstatten, wovon die Bank nach eigenen Angaben 68 Millionen Euro für sich behielt, der Rest ging an Berater und andere Beteiligte. Bei den komplizierten Cum-Ex-Geschäften werden Steuern zurückerstattet, die niemals gezahlt wurden.
Vor allem ein Steuerverfahren aus dem Jahr 2016 rückt dabei in Hamburg in den Fokus, es geht um 47 Millionen Euro Steuern, die der Warburg-Bank 2009 zurückerstattet wurden. Im Jahr 2016 drohte das Steuerverfahren zu verjähren, die Finanzbeamten mussten handeln, wenn sie die 47 Millionen Euro noch wiedersehen wollten. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Finanzbeamtin P. zu, die mit einer möglichen Rückforderung auf dem heiklen juristischen Feld betraut war. Sie erarbeitete seinerzeit Anfang Oktober ein 28-seitiges Schreiben, in dem sie darlegte, dass Hamburg sich das Geld von der Warburg-Bank zurückholen sollte, obwohl die Bank mittlerweile Druck ausübte und mit einer möglichen Insolvenz durch die Rückforderungen gedroht haben soll.
Bank-Chef traf Olaf Scholz
P. schickte das Gutachten an die ihr vorgesetzte Finanzbehörde mit Bitte um Zustimmung. Auch hier teilte ein Jurist zunächst die Auffassung, die Rückforderung sei rechtens. Peter Tschentscher war damals als Finanzsenator Chef der Behörde. Ende Oktober traf sich Warburg-Mitinhaber Christian Olearius Berichten der „Zeit“ zufolge mit dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und übergab ihm eine Verteidigungsschrift, die die Bank entlasten sollte und auch darauf verwies, dass sie im Falle einer Rückforderung existenzgefährdend sei. Scholz bestätigt mittlerweile den Termin, verweist aber auf Erinnerungslücken bei der Frage danach, was konkret besprochen wurde. Auch P. soll die Verteidigungsschrift zugeschickt bekommen haben. Im November dann soll Olaf Scholz Olearius angerufen und ihm gesagt haben, dass er das Papier an Finanzsenator Tschentscher schicken solle.
Bürgermeister Tschentscher wusste vom Verfahren gegen Warburg
Wie das „manager magazin“ nun enthüllt, landete die Verteidigungsschrift auf dem Schreibtisch von Peter Tschentscher, der auf dem Dokument „Bitte um Informationen zum Sachstand“, vermerkt haben soll. Von seinem Schreibtisch ging das Papier am 15. November zur Finanzverwaltung, am Ende sollen auch Passagen markiert gewesen sein, die auf die angebliche Existenzgefährdung der Bank hinweisen. Ein Hinweis darauf, dass Verfahren besser ruhen zu lassen? Ob Tschentscher sie unterstrichen hat, ist unklar.
Auf MOPO-Anfrage verweist er darauf, dass er sich zu konkreten Fragen zu dem Sachverhalt nicht äußern dürfe, da sie ein konkretes steuerliches Verfahren berühren würden. Senatssprecher Marcel Schweitzer teilte mit, dass Tschentscher „als damaliger Finanzsenator an keinen Gesprächen der Steuerverwaltung zur Bearbeitung von Steuerfällen teilgenommen hat, aber in bedeutsamen Fällen über das Vorgehen der Steuerverwaltung informiert wurde“.
Wie kam es zu der Kehrtwende?
Nur zwei Tage nachdem das Papier von Tschentschers Schreibtisch bei der Finanzverwaltung landete, kam es jedoch zur Kehrtwende: Wie das „manager magazin“ berichtet, trafen sich P., ihr Vorgesetzter und sechs Mitarbeiter der Finanzbehörde (mit dabei der Jurist, der die Rückzahlungsforderungen unterstützte) und besprachen die weitere Vorgehensweise. Am Ende, so sagt es heute P. vor Gericht aus, sei man gemeinsam zu der Entscheidung gekommen, das Geld nicht zurückzufordern. Eine Sinneswandlung, die im Nachhinein kaum zu erklären ist.
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Ob es Druck aus der Politik gab oder die Treffen mit Olearius und die Unterrichtungen an Tschentscher zeitlich zufällig mit der Entscheidung des Finanzamtes zusammenfielen, ist immer noch nicht geklärt – alle Beteiligten bestreiten jedoch eine Einflussnahme.
Peter Tschentscher bekam auf jeden Fall laut „manager magazin“ wenige Tage später die Entscheidung, auf die Rückforderungen zu verzichten, schriftlich zugesandt – er hatte noch zwei Fragen zu Details, das war‘s dann aber auch. Die mögliche Millionenrückforderung verjährte wenig später. Mittlerweile hat die Warburg-Bank trotzdem 155 Millionen Euro zurück an Hamburg gezahlt – sie klagt aber auf Schadensersatz. (fkm)