Cum-Ex-Skandal: Das steht im Tagebuch des Warburg-Chefs zum Treffen mit Scholz
Die Verwicklung der SPD in den „Cum-Ex“-Steuerskandal sorgt für Wirbel im Hamburger Wahlkampf. Im Mittelpunkt steht die Frage: Was besprach der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz im November 2017 mit Christian Olearius, dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Warburg Bank? Der MOPO liegt nun eine Seite aus Olearius‘ Tagebuch zu dem Treffen vor.
Der Hintergrund: Medienberichten zufolge hatte die Finanzbehörde 2016 eine Steuerschuld der Warburg Bank in Höhe von 47 Millionen Euro aus dem Jahr 2009 verjähren lassen. Wie die „Zeit“ und das NDR-Magazin „Panorama“ berichten, hat Olearius Scholz bei dem Treffen über die Lage der Bank in den laufenden Cum-Ex-Ermittlungen unterrichtet.
Das Gespräch wurde vom Senat auf eine Kleine Anfrage hin zunächst abgestritten, mittlerweile aber von Scholz eingeräumt. Dass dabei versucht wurde, Einfluss zu nehmen, weist Bürgermeister Tschentscher der MOPO gegenüber entschieden von sich. Pikant: Im Jahr 2017 spendeten die Bank und ihre Tochterunternehmen der SPD insgesamt 45.500 Euro, wie das „Abendblatt“ berichtet.
Steuer-Skandal um Cum-Ex-Geschäfte in Hamburg: Tagebuch soll Klarheit bringen
Klarheit soll nun eine Seite aus Olearius‘ Tagebuch bringen, so stellt es sich zumindest der Rechtsanwalt Otmar Kury, Rechtsbeistand des Warburg-Gesellschafters Max Marburg, vor. Er stellte eine Kopie der Seite der MOPO bereit – auch im Namen seines Kollegen Klaus Landry, der Olearius vertritt. „Heute veröffentlichen wir diese Seite des Tagebuchs eines der Herren Gesellschafter der Bank, um der Öffentlichkeit zu dokumentieren, in welch schändlicher, verwerflicher Weise ein Beweismittel sinnentstellend verfälscht wurde“, donnert es wortgewaltig aus der beigefügten Pressemitteilung.
Die Tagebuchseite ist mit dem 17.11.2017 datiert. Gegen Olearius liefen zu diesem Zeitpunkt Ermittlungen wegen schwerer Steuerhinterziehung.
Nachdem Olearius die Einrichtung von Scholz‘ Amtszimmer im Rathaus beschrieben hat, kommt er zur Sache: „Danach berichte ich vom Sachstand bei Finanzbehörde, Staatsanwaltschaft. Ich meine, sein zurückhaltendes Verhalten so auslegen zu können, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen.“
Cum-Ex-Skandal in Hamburg: Vertrauensvolles Verhältnis zwischen Scholz und Olearius
Der Bürgermeister wirkt dem Eintrag zufolge also beschwichtigend auf einen Mann ein, gegen den Ermittlungen wegen einer schweren Straftat laufen? Anwalt Kury interpretiert das so, dass Scholz‘ „zurückhaltendes Verhalten“ gerade ein Beweis dafür sei, dass keine Einflussnahme stattgefunden habe: „Nichts spricht – für jedermann erkennbar – für die Mutmaßung, eine hohe politische Persönlichkeit habe verfahrensfremden Einfluss auf die Vorgänge genommen.“
Wie vertrauensvoll das Verhältnis zwischen Scholz und Olearius zu sein scheint, wird in einem späteren Eintrag deutlich, als die beiden ihre Medienstrategien miteinander abstimmen: „Das ,Spiegel‘-Gespräch sollte ich führen, mich aber maßvoll äußern“, schreibt Olearius. Die folgenden Sätze im Tagebuch lassen Scholz‘ Vorstellungen von wahrhaftiger Öffentlichkeitsarbeit in einem zweifelhaften Licht erscheinen: „In Szene setzen in Sachen Wissenschaftsstandort Hamburg will er sich allein; Gutachten seien störend.“
Linke sieht Olearius‘ Tagebuch-Eintrag über Scholz-Treffen als belastend an
Im November 2019 hatte der Senat auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion das Treffen im Zusammenhang mit dem „Cum-Ex“-Skandal noch bestritten. Die Linke sieht in dem Tagebuch-Auszug deshalb auch kein entlastendes Material.
„Die beiden haben sich zu einem laufenden Ermittlungsverfahren ausgetauscht und der Senat hat die Bürgerschaft darüber belogen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Fabio De Masi, am Dienstag in Hamburg. Der Auszug entlastete den früheren Bürgermeister Scholz (SPD) keineswegs, „im Gegenteil“.
Der finanzpolitische Sprecher der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft, Norbert Hackbusch, drängt auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Er rief CDU und Grüne auf, sich noch vor der Bürgerschaftswahl am Sonntag dazu zu bekennen, die Einberufung eines solchen Gremiums in der ersten Sitzung der neuen Bürgerschaft mitzutragen.
Hamburgs oberster Finanzbeamter meldet sich zum Thema „Cum-Ex“
Am heutigen Mittwoch hat sich nun auch Hamburgs oberster Finanzbeamter zu Wort gemeldet. „Es hat in Hamburg weder bezüglich Cum-Ex-Gestaltungen noch sonst Versuche gegeben, politisch auf Entscheidungen der Steuerverwaltung Einfluss zu nehmen“, erklärte Ernst Stoll, Leiter der Hamburger Steuerverwaltung.
Auch habe es keinen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich oder Erlass von Steuern gegeben. „Ebenso wenig hat die Steuerverwaltung zu irgendeinem Zeitpunkt `Billigkeitslösungen´ vorgeschlagen oder gar ausgearbeitet.“
Einen Steuerbescheid können die Behörde nur dann ausstellen, wenn sie „dies auf Basis eines belastbar ermittelten Sachverhalts tut und von der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme überzeugt ist.“ Auch müssten die Kosten eines möglichen Rechtsstreits für den Haushalt der Stadt abgewogen werden. (tst/dpa)