„Das rettet so vielen den Hintern“: St. Pauli zeigt Herz – und hilft Bedürftigen
Ein neuer Wintermantel, medizinische Fußpflege, ein frischer Haarschnitt: All das kostet Geld, das viele Hamburgerinnen und Hamburger in ihrem Alltag nicht übrig haben. Für sie veranstaltet der Kiez-Verein „Wer wenn nicht wir“ an diesem Wochenende eine Adventsaktion am Hans-Albers-Platz. „Jeder ist hier willkommen“, betonen die Organisatorinnen. Viele der Gäste bringen bewegende Geschichten mit.
Andrea (57) wirkt in diesem Moment glücklich, lacht viel. Gerade hat sie einen frischen Haarschnitt bekommen, jetzt sitzt sie auf einem Stuhl und lässt sich von Podologin Dana Berkhan die Füße behandeln. „Das hier ist wirklich sensationell“, sagt sie. Die Hamburgerin ist seit Jahren aus medizinischen Gründen berufsunfähig, sie darf nur maximal drei Stunden die Woche arbeiten. „Da ist dann nicht mehr viel Geld am Ende des Monats übrig“, erzählt sie.
Seit Juli kennt sie den Verein „Wer wenn nicht wir“, der Lebensmittel aus Supermärkten und Bäckereien rettet und sie montags, mittwochs und freitags an Bedürftige verteilt. „Das rettet so vielen den Hintern“, weiß die 57-Jährige. Sie selbst wohnt in Winterhude, schafft aber oft aufgrund von Ängsten und Panikattacken nicht den weiten Weg bis nach St. Pauli. Deshalb kommen die zweite Vorsitzende Annikka Möller und ihr Team öfter bei ihr vorbei, um sie mit Kleidung oder Lebensmitteln zu unterstützen.
„Ich weiß nicht, was ich sonst tun würde“, sagt sie. Mehr als ein Jahr lang hat sie ihren krebskranken Lebensgefährten gepflegt, bevor dieser im Jahr 2023 verstarb. „Das mag vielleicht nicht besonders lange sein, aber die Zeit war sehr intensiv. Danach musste ich erst einmal die Reißleine ziehen und mich in Therapie begeben.“
„Wer wenn nicht wir“: Adventsaktion am Hans-Albers-Platz
Die Idee für dieses Aktionswochenende hatte Podologin Dana Berkhan von der „Fußpflege Hellbrook“. „Ich mache so etwas eigentlich jedes Jahr mit Freunden“, erzählt sie. Aber dieses Jahr sollte es etwas größer sein. „Ich hab mich mit den Maschinen schon in meinem Keller gesehen, aber dann habe ich spontan bei „Wer wenn nicht wir“ über Instagram angefragt, ob sie nicht die Räumlichkeiten dafür hätten. Und es hat geklappt.“
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Der Andrang ist am Samstag groß, auch bei den Friseurinnen Yelda Bali (40) und Svenja Schott (49) warten viele der Gäste auf einen freien Platz, so wie Michelle. „Bei der medizinischen Fußpflege war ich noch nie, das kann ich mir nicht leisten“, erzählt sie.
„Zum Friseur gehe ich zwar ab und zu, trotzdem überlege ich da vorher zwei oder drei Mal.“ Die 35-Jährige bekommt Bürgergeld, darf wie Andrea aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten. „Ich hatte eine Rücken-OP und bald steht vielleicht die zweite an“, erzählt sie. „Aber es hat auch alles lange gedauert, bis meine Probleme anerkannt wurden. Bei vielen heißt es direkt: Du bist ja noch so jung, das kann nicht sein.“
Gegründet wurde der Verein „Wer wenn nicht wir“ während des Lockdowns im Jahr 2020 vom „Elbschlosskeller“-Wirt Daniel Schmidt, der auch heute noch 1. Vorsitzender ist. „Aus unserer Sicht wurden damals die Obdachlosen und Bedürftigen total vergessen, das wollten wir ändern“, erzählt Annikka Möller. Um dauerhaft auf St. Pauli helfen zu können, mietete der Verein schließlich einige Räume am Hans-Albers-Platz 2. Am Sonntag, 1. Dezember, von 9-14 Uhr und 15-19 Uhr gibt es dort noch einmal das volle Programm: Medizinische Fußpflege, Haarschnitt, warmes Essen und Kleidung.