Der ewige Lockdown: Senat: Keine Lockerungen in Sicht
Bald treten Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten sowie Ministerpräsidentinnen wieder zusammen, um über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie zu beraten. Erst kürzlich haben sie die Lockdown-Verlängerung für Deutschland verkündet, wie es aber nach dem 14. Februar weitergehen soll, das ist bislang unklar. In den vergangenen Monaten hangelten sich die politischen Verantwortungsträger von Treffen zu Treffen, von Maßnahme zu Maßnahme, von Lockdown zu Lockdown – aber wohin soll die Reise eigentlich gehen?
Zuerst die gute Nachricht: Offenbar haben Bund und Länder mittlerweile verstanden, dass es so etwas wie eine langfristige Strategie in der Corona-Bekämpfung braucht. Das reine Beharren auf das Mantra der Kontaktminimierung, einzelne hastige Maßnahmen und das Warten auf den Impfstoff reichen nicht mehr – bis Mitte Februar will man ein Konzept für eine sichere und gerechte Öffnungsstrategie erarbeiten. Der Bevölkerung, so scheint es, soll endlich ein Weg aufgezeigt werden, an dem sie sich orientieren kann.
Bund und Länder arbeiten an Corona-Strategien
Die schlechte Nachricht ist allerdings, dass dieses Konzept bislang (noch) nicht vorliegt. Stand heute ist unklar, ob wirklich etwas Konsistentes dabei herauskommt, auf das sich alle Amtsträger einigen können. Dabei gibt es bereits einige Ideen, Schleswig-Holstein beispielsweise legte Anfang der Woche einen Lockerungsplan vor, der eng an die Inzidenz gekoppelt ist.
Corona-Neuinfektionen haben sich seit Weihnachten halbiert
Aber zunächst einmal: Wo stehen wir derzeit eigentlich? Der harte Lockdown zeigt Wirkung. Die Infektionszahlen haben sich seit Weihnachten halbiert. Das Robert-Koch-Institut gab am Donnerstag die Sieben-Tage-Inzidenz mit 98 an, am 22. Dezember lag sie deutschlandweit noch bei 198. Die Impfungen dagegen kommen nur schleppend voran. Rund zwei Prozent der gesamten Bevölkerung wurden bislang geimpft, der Impfstoff ist knapp. Ob wirklich, wie von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Aussicht gestellt, allen Deutschen im Sommer bereits ein Impfangebot gemacht werden kann, ist unklar.
Innenminister Seehofer plant Einreisebeschränkungen
Sind die zurückgehenden Neuinfektionen denn nun aber trotz stotternder Impfkampagne ein Grund, in weitgehende Öffnungsversprechen einzustimmen? Nein, denn die neuesten Corona-Mutationen aus Südafrika und vor allem Großbritannien bereiten Wissenschaftlern große Sorgen. Die Mutationen befördern wohl nicht einen schwereren Verlauf der Krankheit, aber sie sorgen für eine deutlich schnellere Ausbreitung der Infektionen. Bislang haben sie sich noch nicht großflächig in Deutschland ausgebreitet, aber die britische Mutation wurden bereits hierzulande festgestellt, zuletzt auch in Hamburg. Das Innenministerium unter Führung von Horst Seehofer (CSU) plant deshalb einen Einreisestopp aus Ländern, in denen viele Fälle der Mutation bekannt sind. So sollen Menschen aus Großbritannien, Portugal, Südafrika und Brasilien nicht mehr einreisen dürfen.
Neben den Vorsichtsmaßnahmen nach Außen braucht es aber auch Maßnahmen gegen die Pandemie im Inneren. Erklärtes Ziel von Bund und Ländern ist bisher, die Sieben-Tage-Inzidenz auf unter 50 zu drücken. Hält die positive Entwicklung an, könnte das rein rechnerisch so bis Mitte bis Ende Februar erreichbar sein.
Das rät die Wissenschaft zur Corona-Strategie
Doch Wissenschaftler halten ein Hoffnungmachen auf schnelle Lockerungen für das falsche Signal. Deutschland solle den Erfolg nicht verspielen, rät Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Mehr Freiheiten für alle winken aus ihrer Sicht erst, wenn die Inzidenz auf oder unter zehn gedrückt werde – so wie im vergangenen Sommer. Die magische Schwelle von 50 bei der Sieben-Tage-Inzidenz, das darf man nicht vergessen, wurde vor allem deshalb gesetzt, damit die Gesundheitsämter die Kontaktnachverfolgung überhaupt gewährleisten können.
Priesemann plädiert deshalb dafür, die 50 nur als Zwischenziel zu betrachten, man müsse dann weiter auf 25 und schließlich auf 12,5 reduzieren. Sobald die 50 erreicht sei, sollten ihrer Rechnung nach zwei bis vier weitere Wochen vergehen, bis über ein bisschen mehr Normalität nachgedacht werden könne.
Diese Auffassung vertritt ebenfalls der Virologe Christian Drosten, der auch bei einer fortschreitenden Impfung der Risikogruppen vor zu schnellen Öffnungen warnt. Die flächendeckende Lockerung von Corona-Maßnahmen, nachdem alle Risikogruppen geimpft wurden, klingt im ersten Moment verlockend, doch sie birgt große Gefahren. Gerade in Kombination mit den neuen Mutationen würde die Ansteckungsrate unter den vermeintlichen Nichtrisikogruppen hochschnellen. Obwohl bei diesen die Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs geringer ist, würden mutmaßlich trotzdem viele Menschen in den Krankenhäusern landen, einfach weil sehr, sehr viele infiziert wären.
Hamburg: Keine Lockerungen in Aussicht
In Hamburg hält man deshalb nichts davon, die Bevölkerung auf baldige Lockerungen einzustellen. „Ja, die Pandemiemüdigkeit ist spürbar. Aber wir sollten nicht den Fehler begehen und Menschen in dieser Phase falsche Signale senden. Wer jetzt über Lockerungen diskutiert, streut den Menschen Sand in die Augen“, so Senatssprecher Marcel Schweitzer zur MOPO. Die Ausbreitung der Virusmutationen werde künftig zunehmen und jede heute geführte Lockerungsdiskussion sei innerhalb kürzester Zeit überholt, deshalb gelte für den Senat: „Wir machen den Bürgerinnen und Bürgern nichts vor“. Hamburg hat auch im Gegensatz zu Schleswig-Holstein bislang keine Pandemie- und oder Lockerungsstrategie für die kommenden Monate ausgearbeitet. Bürgermeister Peter Tschentscher sprach sich zudem als erster Ministerpräsident für eine Verlängerung des Lockdowns aus.
Das machen die Impfstoffe
Entscheidend ist und bleibt damit das Vorankommen der Impfkampagne. In wenigen Tagen wird Biontech bekannt geben, ob ihr Impfstoff auch die Virusübertragung an sich verhindert, was die Erreichung der Herdenimmunität erleichtern würde.
Das könnte Sie auch interessieren: Zoff am Elbstrand: Anwohner fordern Maskenpflicht – aus Angst vor Joggern
Am Freitag entscheidet die EU wohl über die Zulassung des Impfstoffs von AstraZeneca, der leichter und billiger herzustellen ist. Doch die Wirksamkeit des Impfstoffs wird auf nur rund 60 Prozent beziffert und die Ständige Impfkommission des RKI gab am Donnerstag bekannt, dass man den Impfstoff aufgrund zu geringer Studien-Datenlage nicht an Menschen über 65 verabreichen sollte.
Bleibt noch der Impfstoff von Johnson & Johnson. Hier werden die Ergebnisse der letzten klinischen Studie am Montag veröffentlicht – bei dem Impfstoff ist nur eine Dosis nötig und er könnte, wenn alles glatt läuft, Anfang April ausgeliefert werden.