• So sah es auf dem Spielbudenplatz aus, als Friedrich Hermann Faerber 1879 sein „Panoptikum“ gründete.
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Die bewegte Historie des „Panoptikums“: Zu Besuch bei Greta, Trump und dem Alten Fritz

Was für London „Madame Tussauds“, ist für Hamburg das „Panoptikum“. Es ist das älteste und größte deutsche Wachsfigurenkabinett und eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten St. Paulis. Ein Besuch lohnt sich garantiert, denn ob Donald Trump, Greta Thunberg, Adolf Hitler oder Friedrich der Große – mit vielen Personen der Zeitgeschichte kann der Gast dort auf Tuchfühlung gehen

Fast auf den Tag genau vor 141 Jahren wurde das „Panoptikum“ gegründet: und zwar am 11. Mai 1879. Friedrich Hermann Faerber, der Inhaber, wurde damit so reich, dass er sich schon 15 Jahre später eines dieser neuartigen, stinkenden und lärmenden Ungetüme anschaffen konnte, die man damals Automobile nannte und die noch aussahen wie Kutschen ohne Pferde. Der Gründer des „Panoptikums“ war Hamburgs erster Autobesitzer. Und weil der Papa gerade krank war, als das Auto angeliefert wurde, saß anfangs Sohn Arthur hinterm Steuer. Und so kam es, dass ein 14-Jähriger Hamburgs erster Autofahrer wurde.

Geboren wird Friedrich Hermann Faerber am 2. April 1849 in Ostpreußen. Nachdem er 1870/71 als Soldat am Deutsch-Französischen Krieg teilgenommen hat, lässt er sich in Potsdam nieder, wo er eine Anstellung beim Königlichen Hoftischler bekommt. Aber schon bald wechselt er den Beruf: Er hat in Berlin das eben neu eröffnete „Castansche Wachsfigurenkabinett“ besucht und ist elektrisiert.

Ein Bildhauer bei der Arbeit. Seit 2018 gibt es US-Präsident Donald Trump als Wachsfigur.

Ein Bildhauer bei der Arbeit. Seit 2018 gibt es US-Präsident Donald Trump als Wachsfigur.

Foto:

Panoptikum

Faerber – mit Holzbildhauerei vertraut – lässt sich zeigen, wie Figuren aus Wachs modelliert werden, und mit diesem Wissen geht er nach Hamburg, wo er am 11. Mai 1879 in einer Lokalzeitung diese Annonce aufgibt: „Wir schmeicheln uns, mit unserem Panopticum ein Kunst-Institut geschaffen zu haben, wie es Hamburg in dieser Art noch nie gesehen hat.“

„Panoptikum“ erinnert an einen Palast

Das ist nicht mal übertrieben: Wachsfigurenkabinette kennen die Leute zwar schon von Jahrmärkten. Aber in Faerbers Etablissement gibt es keine Bretterbudenatmosphäre. Im Gegenteil: Mit der breiten Marmortreppe und der verglasten Decke erinnert das „Panoptikum“ damals an einen Palast. Rechts und links in den Nischen stehen gekrönte Häupter und Staatsmänner. Besucher dürfen auf Tuchfühlung gehen mit Friedrich dem Großen, der kaiserlichen Familie und den berühmtesten Hamburger Ratsherren. Um einen Springbrunnen im Treppenhaus tummeln sich Märchenwesen. Ein eigens entworfener Apparat lässt Elfen schweben, und ein Labyrinth aus Spiegeln führt die Besucher durch orientalische Pracht. Schon früh installiert Faerber „feenhafte Beleuchtung“, womit in den 1890er Jahren das gerade aufkommende elektrische Licht gemeint ist.

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Höhepunkt der Schau sind nachgestellte Szenen aus der hamburgischen Geschichte: Die Besucher erleben mit, wie Klaus Störtebeker bei Helgoland gefangen genommen und Hamburg beim Großen Brand 1842 ein Raub der Flammen wird. Auch eine „Schreckenskammer“ gibt es, in der die Gäste Augenzeugen von Hinrichtungen und Folter werden. Und besonderes Aufsehen erregt der Saal, der sich „Anatomisches Museum“ nennt: Dort werden mehr als 1000 menschliche Organe aus Wachs gezeigt, darunter Geschlechtsteile, was im prüden Kaiserreich wirklich etwas Ungewöhnliches ist. Es versteht sich damals von selbst, dass Frauen diesen Raum nur an „Damen-Tagen“ besuchen dürfen und dann auch nur ohne männliche Begleitung …

Diese Figur ist wahrscheinlich schon 140 Jahre alt: Sie zeigt den „Alten Fritz“, Preußens aufgeklärten König Friedrich den Großen.

Diese Figur ist wahrscheinlich schon 140 Jahre alt: Sie zeigt den „Alten Fritz“, Preußens aufgeklärten König Friedrich den Großen.

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Panoptikum

Nicht nur mit Figuren aus Wachs, sondern auch mit „lebenden Sensationen“ lockt das „Panoptikum“ das Publikum: Faerber engagiert immer wieder neue anatomische Wunder und „Abnormitäten“: „Zwerge“ etwa, eine Frau ohne Unterleib, siamesische Zwillinge, den Mann mit dem längsten Bart der Welt – 1,70 Meter immerhin –, oder Mariedl, die „Riesin“ aus Tirol, „das größte Weib, das je gelebt“, wie es in den Zeitungsannoncen des „Panoptikum“ heißt.

„Panoptikum“ im Wettbewerb mit Kinos

Die Menschen im wilhelminischen Kaiserreich, von denen die allermeisten nie die Chance haben, die Stadt zu verlassen, auf Reisen zu gehen und die Welt zu sehen, gieren nach solchen Sensationen. Und so zählt das „Panoptikum“ schon bald 100.000 Besucher pro Jahr. Das Geschäft blüht, als 1908 der Gründer stirbt.

Sieht täuschend echt aus: Die neueste Figur des „Panoptikums“ zeigt Greta Thunberg, die prominente Klimaaktivistin.

Sieht täuschend echt aus: Die neueste Figur des „Panoptikums“ zeigt Greta Thunberg, die prominente Klimaaktivistin.

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Panoptikum

Doch seine zwei Söhne – beide übrigens Flugpioniere, wenn auch mit wenig Erfolg – müssen das Haus durch schwere Zeiten steuern: Viele andere Wachsfigurenkabinette schließen in den 1920er Jahren, weil sie sich gegen die gerade aufkommenden Kinos, in die die unterhaltungssüchtigen Massen strömen, nicht behaupten können. Doch das „Panoptikum“ übersteht diese Krise und erzielt zu Beginn der 1940er Jahre sogar neue Besucherrekorde. Das Erfolgsrezept der Gebrüder Faerber: immer am Puls der Zeit sein! Nun werden auch bekannte Showstars aus Wachs ausgestellt. Ab 1930 gibt es sogar sprechende Wachsfiguren – dank versteckter Mikrofone und Lautsprecher.

„Panoptikum“ 1943 fast komplett zerstört

Die dunkelste Stunde des „Panoptikums“ schlägt 1943, als Bomben das Gebäude total vernichten. Nur 17 komplette Figuren, zwei Figuren ohne Kostüme und 14 Wachsköpfe „überleben“ den Feuersturm – mit ihnen eröffnen die Faerbers ihre Schau 1948 neu. Nicht unterkriegen lassen – das ist die Devise dieser Familie. Und das gilt auch in Corona-Zeiten.

Seit dem 7. Mai ist das „Panoptikum“ wieder geöffnet. Aber weil die Reeperbahn fast menschenleer ist, verirren sich derzeit gerade mal rund zehn Besucher täglich in die Ausstellung. Ein massiver Einbruch – normalerweise zählt das Haus 200 000 Gäste im Jahr.

Die Fassade des „Panoptikums“ heute.

Die Fassade des „Panoptikums“ heute.

Foto:

Quandt/ Florian Quandt

Dabei lohnt ein Besuch in jedem Fall: Schon wegen der neuesten Figur, die seit Januar fertig ist und Klimaaktivistin Greta Thunberg zeigt. Seit 2019 – dem Jahr des 140-jährigen Bestehens – lächelt übrigens Barbara Schöneberger verschmitzt den Gästen zu. Also, nix wie hin!

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