Liberale Juden: Wir brauchen auch ein Gotteshaus!
Es ist das vielleicht spannendste Bauprojekt in naher Zukunft: die Bornplatzsynagoge im Grindelviertel. Mit ihr erhält die Jüdische Gemeinde endlich wieder einen repräsentativen Ort in zentraler Lage. Doch nicht alle Juden Hamburgs fühlen sich bei dem Vorhaben berücksichtigt. Für die Liberale Jüdische Gemeinde, die seit langem um einen Gebetsort kämpft, gibt es weiter keine Lösung. Am Mittwoch war das Problem Thema einer Veranstaltung der Patriotischen Gesellschaft. Dabei wurde auch ein mögliches Gebäude ins Visier genommen.
„Bei der Machbarkeitsstudie zur Bornplatzsynagoge hätte der Bedarf aller jüdischen Gemeinden Hamburgs berücksichtigt werden müssen“, kritisierte Eike Steinig, zweiter Vorsitzender der Liberalen Jüdischen Gemeinde, Israelitischer Tempelverein, im vollbesetzten Reimarus-Saal an der Trostbrücke (City).
Liberale Jüdische Gemeinde hat in Hamburg seit der Shoa keine eigene Synagoge mehr
Steinig und seine rund 330 Glaubensbrüder und -schwestern, die sich 2004 von der orthodox geprägten Einheitsgemeinde abgespalten haben, pendeln seither zwischen verschiedenen Veranstaltungsorten hin und her, um ihre Gottesdienste abzuhalten. Im Gepäck die wertvolle Tora-Rolle, die jedesmal mühsam verlegt werden muss.
Die Stadt würde die Liberalen am liebsten im Betty-Heine-Saal des früheren Israelitischen Krankenhauses an der Simon-von-Utrecht-Straße unterbringen. Doch Steinig sieht dort mitten auf St. Pauli ein Sicherheitsproblem. Ein Fragenkatalog, den der Vereinsvize dem Senat zukommen lassen hat, wurde nicht beantwortet.
Spannungsfeld innerhalb der jüdischen Organisationen in Hamburg ist heiß
Überhaupt scheint es, als würde der Senat die Liberalen ein Stück weit ignorieren. Was auch daran liegen mag, dass die Einheitsgemeinde mit Sitz im Grindelviertel inzwischen einen eigenen liberalen Flügel gegründet hat, die sogenannte Reformsynagoge, die beim Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge eigene Räume kriegen soll. Nur haben die beiden liberalen Strömungen rein gar nichts miteinander zu tun. Das Spannungsfeld innerhalb der jüdischen Organisationen in Hamburg ist so heiß, dass niemand öffentlich etwas dazu sagen möchte. Ist das auch der Grund für die Zurückhaltung im Hinblick auf die Einrichtung einer liberalen Synagoge?
Dabei liegt die Lösung eigentlich auf der Hand: „Der vergessene Tempel – Quo vadis Poolstraße?“ so der Titel der von der Patriotischen Gesellschaft veranstalteten Diskussionsrunde am Mittwoch, die sich um den Erhalt und den Wiederaufbau der Synagogen-Ruine in der Neustadt drehte. Die Überreste des im Krieg zerstörten Tempels wurden 2020 von der Stadt aus Privatbesitz gekauft und seitdem nur notdürftig vorm Verfall gesichert.
Stadt schützt die Synagogen-Ruine bisher nur notdürftig vorm Verfall
Der Tempel, von dem nur noch eine Wand und die Apsis steht, war, wie ein Video-Vortrag des Historikers Michael Meyer, ehemaliger Vorsitzender des Leo Baeck Instituts, beleuchtete, bei seiner Gründung 1844 die Wiege des liberalen Judentums weltweit und hat in dieser Hinsicht noch immer eine herausragende Bedeutung. Meyer plädiert dafür, dass diese Stätte erhalten bleibt: „Ich hoffe, dass die Behörden in Hamburg hier etwas schaffen, das für Juden und Nichtjuden attraktiv ist.“
Ob diese Möglichkeit für den Senat in Frage kommt, konnte am Mittwoch nicht beantwortet werden – Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) hatte ihre Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Die Leiterin des Denkmalschutzamts, Anna Joss, erklärte jedoch vorsichtig, dass schon bald Maßnahmen zur Sicherung und Erforschung der Bausubstanz ergriffen würden, um einen langfristigen Erhalt und eine Weiterentwicklung zu ermöglichen.
Verknüpfung des Synagogen-Projekts mit Wohnungsbau stößt auf scharfe Kritik
Auf die Erwägungen des Senats, das Denkmal-Projekt mit Wohnungsbau zu verknüpfen, reagierte das Publikum im Reimarus-Saal mit lauter Empörung. Auch anwesende Architekten äußerten ihre Bedenken gegenüber dieser Idee, die wohl vor allem einen Finanzierungshintergrund hat.
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Für die Liberale Jüdische Gemeinde, die sich als rechtmäßige Nachfolgerin des 1817 gegründeten Neuen Israelitischen Tempel-Vereins mit ihrer Synagoge in der Poolstraße sieht, ist die Diskussion um die Ruine ein Zeichen der Hoffnung. Eike Steinig: „Für uns steht dieses Gebäude für die Geschichte und Entwicklung unserer Gemeinde. Wir hoffen, dass Hamburg wieder zu einem Leuchtturm für das liberale Judentum wird.“