Die Hansestadt war Vorreiter: Vor 20 Jahren: Hamburgs erste Babyklappe
Altona –
Der Schock für die Schüler war groß: Bei einer Müllsammelaktion in einem Park in Glinde bei Hamburg hatten sie vor einem Jahr die Leiche eines Säuglings entdeckt. Der kleine Junge – Polizeibeamte nannten ihn später Leander – war zwei Monate zu früh zur Welt gekommen. Die Babyleiche war in ein blaues Handtuch gewickelt und teilweise im Erdreich verscharrt.
Damit es zu solchen Taten gar nicht erst kommt, wurde vor 20 Jahren in Hamburg die erste Babyklappe Deutschlands gegründet: Dort können Mütter, die verzweifelt sind und anonym bleiben wollen, ihr ungewolltes Baby in Sicherheit bringen.
„Es geht darum, Leben zu retten. Wenn nur eine Frau den Weg zu uns findet, statt ihr Kind auszusetzen, dann hat sich unsere Arbeit schon gelohnt“, sagt Leila Moysich, Geschäftsführerin von Sternipark Hamburg.
Hamburg: Die Babyklappe hat vor 20 Jahren eröffnet
Der Verein hatte am 8. April 2000 die erste Babyklappe Deutschlands eröffnet. An der Eingangstür eines Kinderhauses des Vereins in Altona befindet sich seitdem, verborgen hinter einer schlichten Stahlklappe, ein Wärmebett, in das der Säugling anonym gelegt werden kann. Legt jemand ein Baby hinein, wird ein Alarm ausgelöst und Mitarbeiter kümmern sich sofort um das Neugeborene.
Seit 2000 wurden insgesamt 56 Säuglinge bei den Babyklappen von Sternipark abgegeben – neben Altona betreibt der Verein noch eine Babyklappe in Wilhelmsburg und eine in Satrupholm in Schleswig-Holstein. „Im ersten Jahr wurden sieben Babys bei uns abgegeben, mittlerweile sind die Zahlen deutlich zurückgegangen“, sagt Moysich.
Hamburg: Pro Jahr wird nur noch ein Baby abgegeben
Im Moment werde pro Jahr nur noch ein Baby in den Babyklappen des Vereins abgegeben. Das liege zum einen an der gestiegenen Zahl von Babyklappen – mittlerweile gibt es rund 100 in Deutschland. Zum anderen hätten sich durch Elternzeit und mehr Kitaplätze auch die Lebensumstände für Mütter verbessert.
In den vergangenen 20 Jahren hat Sternipark unter anderem über die Notrufnummer 0800-4560789 bereits 800 anonyme Geburten begleitet – wobei nur 27 Mütter tatsächlich anonym geblieben sind. „Trotzdem wird es immer Frauen geben, die so niedrigschwellig wie möglich ein Angebot brauchen“, sagt Moysich.
Die Babys werden acht Wochen von Pflegeeltern betreut
Nachdem das Baby in der Klappe abgegeben wurde, wird es bis zu acht Wochen von Pflegeeltern betreut. So lange kann es die leibliche Mutter zurückholen, danach wird es zur Adoption freigegeben. Von den 56 Babys, die bei Sternipark abgegeben wurden, haben sich später 24 Mütter gemeldet, 16 Kinder leben wieder mit ihren leiblichen Müttern zusammen.
Doch welche Mutter legt ihr Neugeborenes in eine Babyklappe? „Die Mütter, die die Babyklappe in Anspruch nehmen, kommen nicht nur vom Rande der Gesellschaft, aus der Drogenabhängigkeit oder der Prostitution“, sagt die Schauspielerin Gesine Cukrowski, seit 2004 Vorsitzende der Stiftung Findelbaby. „Wir haben auch die junge Frau aus bürgerlichen Kreisen kennengelernt, von der niemand vermutet hätte, dass sie eine ungewollte Schwangerschaft trifft und ihr nur noch die Babyklappe als Ausweg erscheint.“
Hamburg: Babyklappen sind nach wie vor umstritten
Babyklappen sind allerdings nach wie vor umstritten. Einige Experten argumentieren, die Babyklappe rette kein Leben, sondern produziere Findelkinder, die es ohne sie gar nicht geben würde. Auch das Ziel, Kindstötungen zu verhindern, sei nicht erreicht worden. „Es gibt keine öffentlichen Zahlen, aber wir können nicht erkennen, dass die Zahl der Kindstötungen abgenommen hat“, sagt Michael Heuer, Pressereferent von Terre des Hommes. Auch sei die Babyklappe juristisch schwierig, weil jedes Kind ein Recht darauf habe, zu erfahren, wer seine Eltern sind.
Terre des Hommes favorisiert bei ungewollten Schwangerschaften deshalb die „vertrauliche Geburt“, die es seit 2014 in Deutschland gibt. Dabei können Mütter inkognito entbinden und einen Vornamen für das Kind auswählen. Ihre persönlichen Daten werden in einem versiegelten Brief beim Bundesamt für Familie verwahrt. Nach 16 Jahren darf das Kind den Namen seiner leiblichen Mutter erfahren – wenn es das möchte.