Die Hölle von Moria: MOPO-Reporterin vor Ort: „Es ist eine Schande. Es tut mir so leid“
Elend, Dreck und Not: Schon immer war das Lager in Moria ein unwürdiger Ort. Jetzt, nachdem es niedergebrannt ist, verlieren die rund 12.500 Flüchtlinge dort auch noch ihre jämmerliche Behausung. Unsere Digitalchefin Eva Jost verbringt ihren Urlaub wenige Autostunden entfernt.
„Es ist eine Schande. Es tut mir so leid“
Ich sitze an einem Strand auf Lesbos und blicke aufs Meer, ich kann, obwohl es zehn Uhr morgens ist, noch immer schwach den Mond sehen. Heute Nacht ist auf der anderen Inselseite das Flüchtlingslager Moria in Flammen aufgegangen. 12.000 Menschen sind in Panik geflohen. Hinter mir wacht das kleine Café auf, ein Windspiel aus Muscheln schlägt sanfte Töne, gleich kommen die ersten Schwimmerinnen, die es allmorgendlich zu einem Felsen am Horizont zieht.
Ich bin in Skala Eressos, einem Fischerdorf, wie auf einer Postkarte gemalt, ich mache mit meiner Freundin Urlaub hier, wie so oft im September. Es gibt eine kleine Hotelanlage und viele griechische Familien, die Zimmer vermieten. Ein paar Wildcamper, die geduldet werden. Yoga am Strand, ein Meditationszentrum im Wald, Tavli-Spieler vor den Tavernen und viele Frauen, die Hand in Hand laufen. Skala Eressos war der Geburtsort von Sappho, der antiken Dichterin, seit den 70ern pilgert auch deshalb die queere Community hierher. Ein Ort, der bunt ist und offen, auch wenn das Lächeln zu Coronazeiten hinter einer Maske versteckt ist und bei der Ankunft Fieber gemessen wird. Ein Ort, der Menschen anders sein lässt. Ein Paradies für Paradiesvögel. Ein Ort auf Lesbos.
Gestern Abend hat Aspa, unsere Vermieterin, bei der wir schon einige Male untergekommen sind, spontan für uns gekocht. Gefüllte Tomaten und Paprika, Bohnen und Reis. Adonis, ihr Mann, brachte das Bier dazu. Griechische Gastfreundschaft. Vielleicht sogar noch ein bisschen herzlicher als noch vor einigen Jahren, denn seit auf Lesbos die Flüchtlingsboote anlegen, bleiben viele Charterflieger und mit ihnen die Touristen aus. Wir sind satt ins Bett gefallen, wir haben gut geschlafen. Wir wachen zu den Nachrichten aus Moria auf. Als wir uns auf dem Weg zum Strand im Garten begegnen, erreicht Aspas Lächeln kaum ihre Augen. „Moria“, sagt sie. „Die armen Kinder.“ Meine Freundin entschuldigt sich. „Deutschland müsste mehr tun“, sagt sie. „Es ist eine Schande, es tut mir so leid.“
Das könnte Sie auch interessieren:Drama um Flüchtlinge von Moria: Hamburger demonstrieren auf St. Pauli
Es ist nicht das erste Mal in den vergangenen Jahren, dass wir diese Unterhaltung führen. Es ist nicht das erste Mal, das Aspa abwinkt. Die Menschen auf Lesbos, Migranten und Einheimische, wissen, was sie von ihrer eigenen Regierung und von uns restlichen Europäern erwarten können. Gar nichts.