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Hamburgs Crash-Meile: Kurz vor Weihnachten krachte ein 77-Jähriger mit seinem SUV in den Außenbereich eines Cafés auf der Waitzstraße.
  • Hamburgs Crash-Meile: Kurz vor Weihnachten krachte ein 77-Jähriger mit seinem SUV in den Außenbereich eines Cafés an der Waitzstraße.
  • Foto: Lorian Qorraj/hfr

Fahrtests für Senioren: „Das ist Altersdiskriminierung!“

Werden Senioren zu einem Sicherheitsrisiko am Steuer? In Hamburg entfacht diese Frage angesichts der Crash-Meile Waitzstraße hitzige Diskussionen. Immer wieder im Gespräch: die Forderung, ältere Fahrer zu einem regelmäßigen Test zu verpflichten. Altonas Bezirkschefin Stefanie von Berg (Grüne) ist selbst ein großer Fan dieser Idee, erntet damit aber auch regelmäßig Kritik. Am Montag diskutierte sie genau mit denjenigen darüber, die es betrifft – den Senioren. Eine Aussage der Grünen-Politikerin sorgte sogar für einen Tumult im Saal.

Der Gemeindesaal der St.-Anschar-Kirchengemeinde in Eppendorf war an diesem Abend nur mit älteren Bürgern gefüllt. Auf dem Podium diskutierte Stefanie Berg mit Christian Hieff, dem Sprecher des ADAC Hansa, über mögliche verpflichtende Fahreignungstests ab einem gewissen Alter.

Fahrtests für Senioren – bedeutet das mehr Sicherheit?

„Um mehr Sicherheit auf die Straßen zu bringen, brauchen wir solche Tests“, ist die Grünen-Politikerin überzeugt. „Es ist eine Tatsache, dass mit dem Alter die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Fähigkeiten wie Hören oder Sehen abnehmen.“ Die Waitzstraße in Groß Flottbek sei ein Brennglas dafür, was in komplexen Verkehrssituationen passieren könne.

Erst kurz vor Weihnachten krachte ein 77-Jähriger mit seinem BMW dort über den Gehweg, rammte einen Poller und kam inmitten der außen aufgestellten Stühle und Tische eines Cafés zum Stehen. 81 Verkehrsunfälle hat die Polizei seit 2019 in der als Crash-Meile berühmt gewordenen Einkaufsstraße erfasst, in 38 Fällen davon saßen Senioren hinter dem Steuer. Oftmals hatten die älteren Herrschaften beim Parken Gas und Bremse verwechselt und rauschten mit Vollgas in die Schaufenster.

Stefanie von Berg (Grüne). Florian Quandt
Stefanie von Berg (Grüne).
Stefanie von Berg (Grüne)

Sicherheit im Auto: Was sind Rückmeldefahrten?

„Ich habe lange Jahre im Krankenhaus in der Geriatrie, also der Altersmedizin, gearbeitet“, erzählt die 68-jährige Sabine Burke. „Da gab immer mal wieder diejenigen, die auf keinen Fall mehr hinters Steuer gehörten, sich aber trotzdem für fahrtüchtig hielten. Wenn dort keine Angehörigen eingreifen, wird das gefährlich.“

ADAC-Sprecher Christian Hieff ist von dem Test-Konzept trotzdem nicht überzeugt. „Es gibt Personen, die durch so einen Test kommen und trotzdem einen Unfall bauen“, sagt er. 

Stefanie von Berg kontert Kritik des ADAC

„Es kann nie eine 100-prozentige Sicherheit geben“, kontert von Berg. „Aber jeder Unfall, der vermieden werden kann, ist gut.“ Ginge es nach ihr, gäbe es nicht nur verpflichtende Medizin- und Reaktionstests, sondern auch Rückmeldefahrten. Das heißt: Der Fahrer absolviert eine Autofahrt mit einem Fahrlehrer, der ihm danach ein Feedback gibt.

Der ADAC biete solche Rückmeldefahrten bereits auf freiwilliger Basis an, stellt Hieff klar. Aus dem Ergebnis könnten die Menschen dann ihre persönlichen Rückschlüsse ziehen. „Der überwiegende Teil der Menschen ist vernünftig und kann sich selbst einschätzen“, sagt er.

Verpflichtende Tests für Senioren – Diskriminierung?

Jörg-Rüdiger Schwarz, der sich im Bezirk Nord für die Senioren einsetzt, ist der gleichen Meinung. „Das ist Altersdiskriminierung“, sagt der 73-Jährige. „Es gibt auch jüngere, die Unfälle bauen oder eine schlechte Reaktion haben. Wenn, dann müssen alle regelmäßig getestet werden.“ Eine Schnapsidee, findet wiederum der 86-jährige Uwe Vogel. „Dafür haben wir gar nicht die Ressourcen, schon jetzt gibt es viel zu wenig Fahrlehrer.“

Die 75-jährige Gudrun Hornfeldt erzählt, dass sie ihr Auto wohl vor dem nächsten TÜV in anderthalb Jahren freiwillig abgeben wird. „Dann hole ich mir ein Abo für den Nahverkehr und nutze Bus oder Bahn“, sagt sie. 

Was können mögliche Alternativen zum Auto sein?

Genau darauf will auch von Berg hinaus: Mobilitätsangebote für Senioren neben dem Auto. „Wir müssen den ÖPNV besser ausbauen und altersfreundlich machen“, sagt sie. „Aber auch E-Scooter können eine gute Alternative sein.“ Tumult im Saal. „Wie soll das denn funktionieren?“, ruft einer der Anwesenden rein. Von Berg versteht das Missverständnis. „Nein, natürlich nicht die, die am Straßenrand stehen“, erklärt sie. „Ich meine die dreirädrigen mit Sitz drauf.“

Sonderregelungen für ältere Autofahrende sind in einigen europäischen Staaten übrigens bereits Normalität. In Dänemark müssen Senioren ab 75 Jahren ein ärztliches Attest vorlegen, wenn sie ihren Führerschein verlängern lassen wollen. In der Schweiz müssen sich Autofahrer über 70 Jahre alle zwei Jahre einer Kontrolluntersuchung unterziehen. Auch in Spanien, Italien und Großbritannien gibt es ähnliche Gesetze. Die EU plant derzeit eine Regelung, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, derartige Kontrollen für ältere Fahrer alle fünf Jahre anzusetzen.

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