Dramatischer Appell eines Sozialarbeiters: „Senat ohne Herz und Verstand“
Der Vorwurf, die Polizei verscheuche im Innenstadtbereich gezielt Obdachlose aus den Einkaufsstraßen, kursiert bereits seit einigen Wochen. Auf Facebook hat sich nun ein weiterer Straßensozialarbeiter zu Wort gemeldet und das Vorgehen der Behörden scharf kritisiert.
„Solidarität mit allen Obdachlosen statt Vertreibung, Bettelverbot und Polizeigewalt. Senat ohne Herz und Verstand“ heißt es in dem Aufruf zu einer Protestaktion am Sonnabend auf dem Hansaplatz (St. Georg). „Wir beobachten die zunehmende Vertreibung durch die Polizei seit Anfang Februar“, sagt Johan Graßhoff der MOPO. Der 33-jährige Sozialarbeiter und Linken-Politiker ist regelmäßig auf den Straßen in der City unterwegs. An den Sorgen und Nöten der dort lebenden Obdachlosen ist er so immer nah dran. In den Einkaufsstraßen wie der „Mö“, der Spitalerstraße und dem Hauptbahnhof würden die Beamten immer öfter bettelnde Menschen ansprechen, Platzverweise erteilen.
„Ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel“
Den Sozialarbeiter ärgert das: „Wir erleben ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Obdachlosen und der Polizei. Die Menschen werden mobil gehalten, wodurch wir es schwerer haben, sie noch zu erreichen.“
Dabei sind der Aufenthalt und das Betteln für Obdachlose in der City nicht grundsätzlich untersagt. Die Polizei hatte dazu im März bekannt gegeben, dass sich die Rechtslage nicht verändert habe. Doch man habe die „im Innenstadtbereich tätigen Einsatzkräfte noch einmal sensibilisiert“, sagte ein Sprecher damals gegenüber der MOPO.
Nur wenn Menschen aggressiv betteln oder Lagerstätten bilden, würde man durchgreifen: „Das Einschreiten der Polizei erfolgt nicht willkürlich, sondern wenn entsprechendes Verhalten es zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich macht.“
Sozialarbeiter: „Wir fordern eine Rücknahme der Maßnahmen“
Dabei besteht die Situation in der Innenstadt nicht erst seit gestern. Wieso also die Wende? Graßhoff vermutet, dass vor allem die Gewerbetreibenden Druck auf die Behörden ausüben, da sie ein durch Obdachlosigkeit geprägtes Straßenbild als schädigend für ihr Geschäft erachten.
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Das dahinterstehende Problem der Menschen, nämlich Armut, Krankheit und Not, werde durch die Verdrängung nicht adressiert: „Armut“, sagt Graßhoff, „ist immer ein soziales Thema und kann durch Ordnungsmaßnahmen nicht behoben werden“.
An die Politik hat der Sozialarbeiter eine klare Forderung: „Wir fordern die Rücknahme der Maßnahmen und ganzjährig geöffnete Unterkünfte für obdachlose Menschen. Dazu braucht es kleinere Wohneinheiten und auch Einzelzimmer, weil diese Angebote viel besser angenommen werden.“