Der Roboter-Minibus „Heat“ in der HafenCity verfügt über eine 360-Grad-Sicht.
  • Der Roboter-Minibus Heat in der HafenCity verfügt über eine 360-Grad-Sicht.
  • Foto: picture alliance/dpa/Daniel Reinhardt

Wie Hamburg den Verkehr der Zukunft erfindet

Hamburg gilt als Vorreiter in Sachen Mobilität und will das auf dem ITS-Weltkongress („Intelligent Transport Systems“) in der Stadt unter Beweis stellen. Mit unter den rund 150 Projekten: allein fahrende S-Bahnen, Roboter-Shuttles, eine Radnetz-Struktur und Drohnen. Was es auf dem Kongress alles gibt und wie sich unsere Wege mit dem ÖPNV, auf dem Rad oder im Auto ändern werden – die MOPO gibt eine kurze Übersicht.

Er rollt ganz von selbst: Am Montag geht der „Zug der Zukunft“ auf Jungfernfahrt. Genauer gesagt handelt es sich um eine Bahn der Linie S21, die digital gesteuert auf dem 23 Kilometer langen Abschnitt zwischen Berliner Tor und Bergedorf/Aumühle fährt – ein Fahrer ist nicht mehr nötig, um die Bahn zu steuern.

Hamburg: Hier fährt die S-Bahn ab jetzt von allein

Möglich ist das durch eine spezielle Signaltechnik, über die der Zug mit zahlreichen kleinen Sendemasten kommuniziert, die das Fahrzeug durch die Strecke lotsen. Ein Zugführer soll aber trotzdem an Bord bleiben, um im Notfall eingreifen zu können. Und wozu das Ganze? Die neue Technik soll ermöglichen, dass perspektivisch alle 60 Sekunden eine Bahn unterwegs ist – aktuell geht das (in der Theorie) nur alle drei Minuten.

Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) sitzt im Führerhaus der neuen S-Bahn. Auf der hochmodernen Strecke werden Fahrer hier nur überwachend Platz nehmen. Patrick Sun
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) sitzt im Führerhaus der neuen S-Bahn. Auf der hochmodernen Strecke werden Fahrer hier nur überwachend Platz nehmen.
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) sitzt im Führerhaus der neuen S-Bahn. Auf der modernen der S21 Strecke werden Fahrer hier nur noch überwachend Platz nehmen.

Ab Oktober werden in Hamburg außerdem vier umgebaute S-Bahn Waggons auf den Schienen sein. Dort gibt es festinstallierte Drehhocker mit einer Art Bar. Herzstück der neuen Waggons sind die Monitore, die über die nächstmöglichen Anschlüsse informieren oder den Weg zum jeweiligen Bahnhofsausgang anzeigen. Neue Zuganzeiger in und vor den Haltestellen sollen zudem aktuelle Informationen für die Fahrgäste leichter zugänglich machen.

Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), HVV-Chefin Anna-Theresa Korbutt und S-Bahn-Chef Kay Arnecke (v.l.n.r.) bei der Präsentation des neuen S-Bahn Waggons der Zukunft im September 2021. Florian Quandt
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), HVV-Chefin Anna-Theresa Korbutt und S-Bahn-Chef Kay Arnecke (v.l.n.r.) präsentieren den S-Bahn Waggon der Zukunft. Hier noch ein Modell, bald auch in der Realität.
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), HVV-Chefin Anna-Theresa Korbutt und S-Bahn-Chef Kay Arnecke (v.l.n.r.) präsentieren den S-Bahn Waggon der Zukunft. Hier noch ein Modell, ab Oktober auch in der Realität.

Busse sollen emissionsarm unterwegs sein

Von der Bahn geht es weiter in den Bus: Bis Ende 2020 sollen in Hamburg 200 von 1700 HVV-Bussen mit Batterie und Ökostrom emissionsarm unterwegs sein. Ab 2025 kommen dann Busse mit grünem Wasserstoff hinzu, sodass mithilfe der Umstellung der HVV-Flotte insgesamt 114.000 Tonnen CO2 eingespart werden können. Die alten Dieselbusse sollen dann Geschichte sein.

Seinen großen Auftritt auf dem Kongress soll auch er haben: Der elektrische Mini-Bus „Heat“, der mit einigen Unterbrechungen seit Oktober 2020 mit Fahrgästen autonom in der HafenCity unterwegs ist. Er ist nur fünf Meter lang und schafft derzeit bis zu 25 Stundenkilometer. Eins der Ziele sei es, diese Technologie auch auf den Linienverkehr auszuweiten, erklärte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) dazu.

Peter Tschentscher (r, SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, und Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hochbahn, stehen bei der Presseveranstaltung zum Start des Fahrgastbetriebes des autonom fahrenden Heat-Busses in der HafenCity für ein Foto zusammen. Daniel Reinhardt/picture alliance/dpa
Betrieb des autonom fahrenden Heat-Bus startet
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hochbahn (v.l.n.r), posieren zum Start des Fahrgastbetriebes im autonom fahrenden Heat-Busses in der HafenCity zusammen.

Sein kleiner Bruder emoin ist derweil in Bergedorf unterwegs: Der autonom fahrende On-Demand-Shuttle soll auf dem Weg zwischen dem Wohnort und der nächstgelegenen ÖPNV-Haltestelle Abhilfe schaffen – der sogenannten „letzten Meile“, wie Tjarks das gern nennt. Besonders in den äußeren Stadtteilen Hamburgs ist diese „letzte Meile“ immer noch ein längerer Weg, der nicht selten ein Auto erfordert. Der emoin-Kleinbus kann derzeit in Bergedorf per App bestellt werden und fährt dann selbstständig zur nächstgelegenen Wunsch-Haltestelle.

Ein autonom fahrender Elektro-Kleinbus fährt durch das Villenviertel in Hamburg-Bergedorf. IMAGO / Hanno Bode
Ein autonom fahrender Elektro-Kleinbus fährt durch das Villenviertel in Hamburg-Bergedorf. Der On-Demand-Shuttle emoin k
Ein autonom fahrender Elektro-Kleinbus fährt durch das Villenviertel in Hamburg-Bergedorf.

Klar ist: Das autonome Fahren soll in Zukunft Alltag im Straßenverkehr werden – ob per Moia, emoin oder Linienbus. Worauf müssen sich die anderen Verkehrsteilnehmer einstellen? Die Roboter verfügen aufgrund etlicher Kameras und Sensoren über eine 360-Grad-Sicht. Tjarks hofft sogar, dass die selbstständig fahrenden Ridesharing Vans von Moia dazu beitragen können, die Aggressivität im Hamburger Straßenverkehr zu reduzieren. Immerhin halten sie sich stets an alle Verkehrsregeln.

ITS-Kongress Hamburg: Autonomes Fahren im Mittelpunkt

Für den ITS-Kongress wurde dazu kurzerhand eine neun Kilometer lange Teststrecke von der Elbphilharmonie bis Planten un Blomen aufgebaut. Damit das funktioniert, tauschen unter anderem 37 Ampeln und eine Klappbrücke Daten mit den vorbeifahrenden Fahrzeugen aus. Sprechende Ampeln gibt es übrigens auch schon: In Rahlstedt sagen sie Busfahrern, ob sie bei der aktuellen Geschwindigkeit noch die grüne Ampel erwischen oder nicht.


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Ob das autonome Fahren einen entspannteren Verkehrsalltag für Radfahrer ermöglicht, ist indes noch unklar. Fahrradstadt werden will Hamburg aber auf jeden Fall: Voranbringen sollen das unter anderem die Fahrradstraßen rund um die Alster, das Fahrradparkhaus an der Kellinghusenstraße und Pop-Up-Bikelanes wie beispielsweise an der Hallerstraße.

Das öffentliche Fahrradparkhaus Kellinghusenstraße bei der Eröffnung Ende Mai. (c) dpa
Fahrradparkhaus Kellingshusenstraße
Das öffentliche Fahrradparkhaus Kellinghusenstraße bei der Eröffnung Ende Mai.

Von den Straßen geht es dann auch noch in die Luft. Hamburg stellt beim Kongress unter anderem sein Drohnen-Versuchslabor am Hamburger Hafen vor. Perspektivisch sollen sich die kleinen Fluggeräte mit Flugzeugen und Hubschraubern den Luftraum teilen. In einem derzeit auf 30 Quadratkilometern eingerichteten „U-Space“ („Unmanned Space“) wird diese Vision erst einmal simuliert. Währenddessen transportieren die Medifly-Drohnen bereits Gewebeproben durch die Stadt.

Egal ob Bus, Bahn, Rad oder Auto: Unsere Mobilität wird sich in den nächsten Jahren verändern, digitaler und vernetzter werden. Hamburg will in den kommenden Tagen einen kleinen Vorgeschmack auf diese neue Verkehrswelt geben – und dabei selbst zum Vorreiter werden. Zum ITS-Kongress werden vom 11. bis 15. Oktober rund 10.000 Fachleute aus mehr als 100 Ländern in Hamburg erwartet.

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