Neubauten sollen ab 2028 klimaneutral sein.
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Hamburger Experte: Düstere Prognose für den Wohnungsmarkt

Vor rund 45 Jahren hat Dieter Becken in Hamburg seine ersten Wohnungen errichtet, seitdem stellte der bekannte Bauunternehmer in seiner Heimatstadt schon Tausende Wohnungen fertig – darunter auch viele öffentlich geförderte Einheiten. Doch nun sieht der Firmenchef schwarz für den Wohnungsbau: „In etwa einem Jahr werden in Deutschland 800.000 Wohnungen fehlen.“ Im Gespräch mit der MOPO sagt der Bau-Experte, warum er die Lage so pessimistisch sieht.

Dieter Becken sitzt im großen Konferenzraum seines Firmensitzes in bester Lage an der Esplanade (Neustadt) und blickt aus der obersten Etage des Finnlandhauses auf Alster und City: „Der Druck auf den Wohnungsmarkt in Hamburg und in großen Teilen Deutschlands wird extrem. Das wird alles noch viel schlimmer, als wir bisher schon erwartet haben.“

Düstere Prognose: Das sind die Gründe

Becken nennt die aus seiner Sicht wichtigsten Gründe für diese düstere Prognose: die Explosion der Baupreise. Der starke Zinsanstieg für Baufinanzierungen in kurzer Zeit von 0,8 auf 4,5 bis 5 Prozent. Das Lieferkettenproblem bei Baumaterial. Der starke Anstieg der Grundstückspreise und schließlich die Tatsache, dass Städte ihre Grundstücke nicht mehr verkaufen, sondern nur noch in Erbpacht vergeben.

Dieter Becken gründete 1978 seine Baufirma, errichtete unter anderem den „Berliner Bogen“ und das Polizeipräsidium in Alsterdorf. Florian Quandt
Dieter Becken gründete 1978 seine Baufirma, errichtete unter anderem den „Berliner Bogen“ und das Polizeipräsidium in Alsterdorf.
Dieter Becken gründete 1978 seine Baufirma, errichtete unter anderem den „Berliner Bogen“ und das Polizeipräsidium in Alsterdorf.

Becken erwartet, dass uns diese schwierigen Umstände noch mindestens einige Jahre begleiten werden – und deswegen der Wohnungsbau stark rückläufig bleibt. Und der Unternehmer sieht ein Versagen der Politik.

Dieter Becken: „Die öffentliche Hand hätte zu Zeiten niedriger Zinsen städtische Grundstücke zu realistischen Preisen verkaufen müssen, und zwar mit der Auflage, hier bezahlbare geförderte Wohnungen zu errichten.“

Hamburg: Bau der Sozialwohnungen stockt

Und mit dem Bau dieser Sozialwohnungen sieht es zurzeit schlimm aus: 3000 wollte der Hamburger Senat jährlich errichten lassen, doch im ersten Halbjahr 2022 wurden Baugenehmigungen für gerade einmal 19 Einheiten erteilt. Ein Armutszeugnis für die Wohnungsbaupolitik der Stadt. Becken rechnet vor, dass bei den aktuellen teuren Bau-Bedingungen die Miete für öffentlich geförderte Wohnungen bei rund 15 Euro/Quadratmeter liegen müsste.

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Frei finanzierter Wohnraum wäre erst bei rund 25 Euro/Quadratmeter noch profitabel für einen Unternehmer, und bei diesen Berechnungen ist noch nicht einmal der Grundstückspreis inkludiert, so Becken.

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Und wo sieht er die Lösung des Wohnungsproblems? Beckens Forderung: Damit bezahlbarer Wohnraum entsteht, sollte wie beim Bau von Gewerbebauten die Umsatzsteuer beim Wohnungsbau wegfallen. Beim Bau von Sozialwohnungen müsste die Grunderwerbssteuer wegfallen. Außerdem sollte eine jährliche sechsprozentige Abschreibung erfolgen. Zusätzlich müsste die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verbilligte Kredite vergeben. Das Wichtigste sei aber, dass städtische Grundstücke mit Zweckbindung für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden. „Nur so kann der Wohnungsmangel behoben werden.“

Wohnungsbau in Hamburg: Becken hatte mit Scholz gesprochen

Die Bitte um Stadt-Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau hatte Becken nach eigener Angabe schon im September 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise bei einem Termin im Hamburger Rathaus vorgebracht. Sein Ansprechpartner damals: der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz.

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Der SPD-Politiker habe seinen Aufführungen, so Becken, „sehr interessiert“ gelauscht und angekündigt, dass sich Dorothee Stapelfeldt (SPD), die damalige Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, melden würde. Doch aus Olaf Scholz’ Senat kam trotz Nachfragen aus Beckens Unternehmen nie eine Reaktion.

Olaf Scholz gewann 2021 mit dem SPD-Wahlslogan „Kanzler für bezahlbares Wohnen“ die Bundestagswahl und wurde Bundeskanzler.

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