• Lieferando ist eines der größten Onlineportale zur Essensbestellung.
  • Foto: imago images/Ralph Peters

Ehemaliger Fahrer packt aus: So mies sind die Arbeitsbedingungen bei Lieferando

Ein Lieferportal für Hunderte Restaurants und Gerichte: Für den Kunden ist „Lieferando“ zeitsparend und stressfrei. Das hat allerdings seinen Preis: Geringe Gehälter, schnelle Kündigungen und Überstunden für lau – ein ehemaliger „Lieferando“-Fahrer erhebt schwere Vorwürfe. 

„Lieferando“ ist die Deutsche Marke des international agierenden Unternehmens „Takeaway.com“, das vor knapp 20 Jahren in Amsterdam gegründet wurde. Ziel war es, eine Online-Plattform zu schaffen, auf dem alle in der Nähe verfügbaren Restaurants und Lieferdienste zu finden sind. Über das Onlineportal werden die Bestellungen und Auslieferungen organisiert.

Christian Müller (Name geändert) hat Anfang des Jahres drei Monate für das Unternehmen als Fahrer in Hamburg gearbeitet. „Zuerst bin ich mit meinem eigenen Fahrrad gefahren“, sagt Müller im MOPO-Gespräch. Das sei nicht untypisch, viele Fahrer nutzen ihre eigenen Räder oder auch Autos. Erst nach ein paar Wochen habe er dann ein Gefährt von „Lieferando“ erhalten, eine klare Absprache habe es zuvor nicht gegeben.

Hamburg: Ehemaliger „Lieferando“-Lieferant musste eigenes Fahrrad nutzen

„Takeaway.com“ stellt Pedelec e-Bikes, Helme und andere Utensilien in einem Lager zur Verfügung. Auf MOPO-Nachfrage wurde die Nutzung eigener Fahrzeuge zum einen durch die derzeitige Pandemie erklärt, aus Sicherheitsgründen sollen nicht alle ab dem Lager starten. Zum anderen werde die Nutzung eigener Fahrzeuge vor Vertragsabschluss besprochen und finanziell ausgeglichen, so eine Sprecherin von „Takeway.com“.

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„Jeder Lieferant nutzt auch sein eigenes Handy und Vertrag“, sagt Müller. Und das obwohl die Abläufe der Dienste durch eine extra App für die Fahrer geregelt werden. Ohne die App sind die Bestellungen und Dienstpläne nicht einsehbar. Die App dient ebenfalls der Nachverfolgung der Lieferung, so kann der Kunde zu jeder Zeit seine eigene Bestellung verfolgen. Das sei aber nicht alles: „ Die Mitarbeiter werden mit der App überwacht, für längere Lieferwege muss man sich dann rechtfertigen.“

„Takeaway.de“ erklärte, dass die App nur zur Aufzeichnung relevanter Daten genutzt werde. „Dabei handelt es sich zum Beispiel um Daten, die zur Lohnabrechnung erforderlich sind, zur Zuteilung der Bestellungen, zur Berechnung des Bestellbonus‘, der Verschleißpauschale und zur Einhaltung von Arbeitszeitgesetzten“, sagt eine Sprecherin.

Hamburg: Zu lange Arbeitszeiten und Strecken

Auch die Arbeitszeiten seien problematisch, sagt Müller: „Ich musste teilweise in der Hitze drei Tage hintereinander zehn Stunden arbeiten.“ Das weist „Takeaway.com“ zurück: Es sei gar nicht möglich, da die meisten Fahrer auf Minijob-Basis angestellt seien. Müller erklärt, dass auch die Wege oftmals sehr weit seien, mit dem Rad zum Restaurant und dann zum Kunden kann auch mal eine Stunde dauern. Dazu komme, dass bisher noch keine Abrechnung korrekt gewesen sei. „Die Überstunden müssen eigentlich im Dienstplan vermerkt werden, oft fehlen sie aber.“ Innerhalb von drei Monaten seien ihm so 500 Euro verloren gegangen. Eine Ausnahme sei das nicht, behauptet Müller.

„Unsere Fahrer können sich die Arbeitszeiten je nach Verfügbarkeit und mit hoher Flexibilität selbst auswählen“, so die Sprecherin. Wie viele Stunden sie am Tag arbeiten, sei ihnen dabei selbst überlassen. Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn ein Fahrer zum Ende eines Monats die vereinbarten Stunden noch nicht erreicht habe. Die Fahrtwege vom Restaurant zum Kunden seien nach Angaben von „Takeaway.com“ meist nicht länger als 1,2 Kilometer, das seien knapp zehn Minuten.

Das Problem von Müllers fehlerhaften Abrechnungen sei eine Ausnahme. In dem „seltenen Fall“, dass es zu Problemen bei den Abrechnungen kam, könnten sich die Mitarbeiter immer an die jeweiligen Vorgesetzten wenden, erklärt die Sprecherin weiter.   

Hamburg: Lieferando-Fahrer wurde fristlos entlassen

Jede Stadt habe einen sogenannten City Manager, der für die Belange der Fahrer vor Ort zuständig ist. Aufgrund des fehlenden Geldes und der vermehrten Fehler in der Abrechnung bat Müller um ein Gespräch: „Nach drei Minuten war ich wieder raus, wurde aus dem Büro geschmissen und fristlos entlassen.“ Alle Mitarbeiter, die den Mund aufmachen und auf die Missstände aufmerksam machen, würden gekündigt werden.

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Das war allerdings nur möglich, da Müller nach eigenen Angaben einen Ein-Jahresvertrag mit einer einjährigen Probezeit unterschrieben hatte. Die gesetzliche Probezeit beträgt allerdings höchstens sechs Monate. Diese Dauer kann nur schwer, beispielsweise durch abweichende Regelungen in einem Tarifvertrag, von vornherein länger angelegt werden. Eine fristlose Entlassung ist hingegen nicht möglich, die Frist von zwei Wochen muss eingehalten werden.

Im Fall von Herrn Müller sei dies nicht der Fall gewesen. Auf Nachfrage bei „Takeaway.de“ wurde darauf hingewiesen, dass sie sich „hinsichtlich der Probezeit an die gesetzlichen Vorgaben halten.“ Die Sprecherin von „Takeaway.com“ betont noch einmal: Das Unternehmen arbeite stets an einer Verbesserung der Kommunikation, Mitarbeiter würden dringlich aufgefordert werden, sich bei Problemen an direkte Vorgesetzte oder die Personalabteilung zu wenden.

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