Ehepaar Reh: Große Ehrung für die Helden aus Hamburg
Für Kirchlinteln im Landkreis Verden war das ein großer Tag. Am Samstag wurde dort eine Gedenkstätte eingeweiht, die an Carl Reinhard (1891-1951) und Hedwig Reh (1897-1991) erinnert. Das Denkmal hat die Form einer Flagge. Kein Zufall: „Bewaffnet“ mit einer weißen Fahne war das Hamburger Ehepaar am 16. April 1945 britischen Truppen entgegen gegangen und hatte den Ort vor totaler Zerstörung bewahrt.
Die Laudation hielt MOPO-Chefreporter Olaf Wunder, denn es ist die MOPO gewesen, die die in Vergessenheit geratene Lebensgeschichte der beiden Hamburger rekonstruiert hat. „Wer hätte damit gerechnet, dass es noch nach 75 Jahren gelingen würde, die Identität eines fast namenlosen Ehepaars zu klären”, sagte er und sprach von einem „Wunder“, dass dies wirklich geklappt hat.
1945 bewahrten sie Kirchlinteln vor der Zerstörung
In November 2020 war die „Zeitgeschichtliche Werkstatt im Kapitelhaus zu Wittlohe“ (Zwik) in der Hoffnung an die MOPO herangetreten, über einen Zeitungsaufruf mehr über die Rehs zu erfahren: Den örtlichen Geschichtsforschern war bis dahin lediglich der Familienname der Leute bekannt, die als Retter von Kirchlinteln gelten. Was aus ihnen geworden ist – niemand wusste das.
Mit Hilfe zweier Historiker gelang es dann der MOPO, die Lebensgeschichte von Carl Reinhard und Hedwig Reh zu recherchieren. Sie: eine Kindergärtnerin, die aus dem Staatsdienst entlassen wurde, weil sie nicht der Nazi-Partei NSDAP beitreten wollte. Er: ein Journalist, der den Beruf an den Nagel hängte, weil er es ablehnte, sich dem verhassten Nazi-Regime anzubiedern. Als die beiden 1943 in Hamburg ausgebombt wurden, suchten sie Zuflucht in Kirchlinteln, wanderten nach dem Krieg nach Schweden aus. Dort starb Carl Reinhard Reh 1951, während seine Frau noch bis 1991 lebte. Sie betrieb in Helsingborg einen Kindergarten.
Als am 16. April 1945 britische Truppen in Kirchlinteln einmarschierten, wurden sie von 16- und 17-jährigen deutschen Marinesoldaten beschossen. Die Engländer begannen daraufhin damit, Häuser am Stadtrand niederzubrennen. Daraufhin bewiesen die Eheleute Reh großen Mut. Als sie den Keller, in dem sie sich versteckt hielten, mit der weißen Fahne in der Hand verließen, brachten sie sich in große Gefahr: Nicht nur, dass die Rehs in die Schusslinie hätten geraten können. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter hatte außerdem alle Einwohner gewarnt, dass jeder, der die weiße Fahne hisst, erschossen werde. Doch die beiden überlebten. Und sie überzeugten die Briten davon, den Ort zu verschonen.
Um an der Gedenkstätte eine Bank aufzustellen, wird um Spenden gebeten
Unter den etwa 40 Bürgern, die an der Einweihung der Gedenkstätte teilnahmen, befanden sich einige Ältere, die sich an die Rehs noch erinnern können. Eine Frau berichtete, dass sie im Sommer 1945 Englisch-Unterricht von den Rehs erhalten habe. Ein weiterer Teilnehmer der Gedenkfeier erzählte, dass er 1966 an einem kirchlichen Jugendaustausch teilnahm: Jugendliche aus Geesthacht besuchten damals Helsingborg. „Und Hedwig Reh war es, die diesen Austausch organisierte. Sie war eine warmherzige Frau”, erzählte er.
An der Gedenkstätte soll nun noch eine Bank aufgestellt werden (die, die zur Zeit dort steht, ist nur provisorisch), was bisher am Geld scheiterte. Wenn jemand spenden möchte, hier die Bankverbindung: Zeitgeschichtliche Werkstatt im Kapitelhaus zu Wittlohe, IBAN: DE45 2915 2670 0020 5103 43, BIC: BRLADE21VER, Verwendungszweck: „Bank für Eheleute Reh“.