Eine Gruppe besonders gefährdet: Wie die Corona-Pandemie unsere Psyche angreift
Die Coronakrise bringt viele notwendige Einschränkungen mit sich: unter anderem die Zahl der Kontakte, die seit dem zweiten Lockdown wieder auf maximal zehn Personen aus zwei Haushalte beschränkt wurde. Das verlangt eine Menge von der menschlichen Psyche – eine Gruppe ist besonders gefährdet.
Die Telefone stehen laut der Leiterin der Telefonseelsorge der Diakonie Hamburg, Babette Glöckner, schon lange nicht mehr still. Sobald ein Mitarbeiter den Hörer aufgelegt habe, klingele es erneut. „Wir sind immer komplett ausgelastet“, erzählt sie der MOPO. Die 90 ehrenamtlichen Mitarbeiter bei der Telefonseelsorge sind 24 Stunden erreichbar.
Corona und psychische Gesundheit: Eine negative Beeinträchtigung
„Jetzt im zweiten Lockdown ist die Anzahl der Akut-Anrufe noch einmal deutlich gestiegen“, so Glöckner. Akut-Anrufer bedeutet, dass jemand einmalig Hilfe sucht – im Gegensatz zu denjenigen, die regelmäßig anriefen. „Das Thema Corona ist allgegenwärtig. Mittlerweile sind die Leute nicht mehr genervt von dem Thema, sondern es geht bei den Gesprächen immer mehr um Ängste und Einsamkeit.“ Die dunkle Jahreszeit in Kombination mit der Pandemie mache es der Psyche schwer, damit umzugehen.
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Bei den Anrufern handele es sich um eine sehr heterogene Gruppe, obwohl die Kerngruppe bei den 50-65-Jährigen liege. „Da gibt es aber auch Studenten, die nicht mehr weiterwissen, weil zum Beispiel deren Praktikumsplätze weggebrochen sind“, sagt Glöckner.
Telefonseelsorge Hamburg: Die Telefone stehen nicht mehr still seit Corona
Das Wichtigste sei, die Menschen am Telefon ernst zu nehmen. „Allein für diejenigen, die unter Einsamkeit leiden, ist es eine große Hilfe, wenn ihnen jemand zuhört.“
Natürlich gebe es aber Grenzen für die Telefonseelsorge, die von den Mitarbeitern unbedingt gezogen werden müssten. „Ein Gespräch liegt ungefähr zwischen 20 und 40 Minuten“, erklärt Glöckner, „wir ersetzen auch keine Therapie sondern eine unserer Hauptaufgaben sind das Stabilisieren, Orientierung anbieten und Ressourcen aktivieren.“
Den Umgang der Menschen mit der Corona-Pandemie in Deutschland lässt sich nicht einfach beantworten, auch wenn sicher ist, dass gesellschaftliche Krisen Spuren in der Psyche hinterlassen. „Wie Menschen mit einer Belastung in ihrem Leben umgehen, hängt aber immer auch von ihrer Lebenssituation und ihren persönlichen Bewältigungsmethoden ab“, erklärt Heike Peper, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hamburg.
Psychische Gesundheit während Corona: Eine Gruppe besonders gefährdet
Besonders gefährdet seien diejenigen, die bereits vor der Pandemie mit psychischen Problemen kämpfen mussten. „Die Einschränkung der Kontakte und der Wegfall gewohnter Tagesstrukturen kann bei Menschen mit Angststörungen und Depressionen eine stark negative Auswirkung haben.“
Auch Familien mit Kindern müssen derzeit mit der psychischen Belastung umgehen, jederzeit einen potenziellen Corona-Fall in der Klasse zu haben, der wiederum Quarantäne für den gesamten Haushalt bedeuten kann. „Hier spielen die unterschiedlichen familiären Konstellationen eine Rolle“, so Peper. „Die Belastung variiert zum Beispiel je nach räumlicher und technischer Ausstattung. Wie ist es möglich für die Eltern, Homeoffice zu machen? Wie viel Betreuung brauchen die Kinder?“
Corona Lockdown light: Kein Ende für die Psyche in Sicht
Den großen Unterschied zum Lockdown im Frühjahr sieht Peper in der Verunsicherung, wie lange die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen noch so weiter gehen werden. „Selbst wenn der Impfstoff kommt, wird es dauern, bis genug Menschen geimpft sind“, sagt sie. „Es ist, als müsste man die ganze Zeit rennen und wüsste nicht, wann man ans Ziel kommt. So kann man sich seine Kräfte nicht einteilen.“
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Der Mensch an sich sei ein sehr anpassungsfähiges Wesen und könne auch neue Gewohnheiten lernen, wie zum Beispiel eine Maske im Bus zu tragen. „Andere Dinge wie die Kontaktbeschränkungen sind schwieriger für die Psyche auszuhalten.“
Corona und Gesundheit: Was gibt es für Tipps für die Psyche?
Ein Universalrezept, das allen in gleichem Maße hilft, gibt es nicht. Dafür sind Menschen zu unterschiedlich in ihren Bedürfnissen und Belastungsgrenzen.
Die Pflege sozialer Kontakte per Telefon oder Videoanruf kann natürlich helfen. Viele Hilfseinrichtungen halten ihr Angebot aufrecht und beraten telefonisch. Eine psychotherapeutische Betreuung ist auch in Corona-Zeiten möglich, allerdings waren die Therapie-Plätze schon vor der Krise rar.