Eine Tendenz ist bedenklich: Es geht bergauf beim Impfen – doch die Experten warnen
Lange Zeit lief es schleppend mit den Impfungen. Doch jetzt geht es bergauf. Mehr Impfstoff. Einbeziehung der Arztpraxen: Noch nie wurden so viele Menschen geimpft, wie in den vergangenen Tagen. Mitte Juli könnten nach einer Experten-Prognose alle Erwachsenen in Hamburg geimpft sein. Dennoch warnen Mediziner: Die Lage in den Kliniken ist alarmierend.
„Es brennt. Die Lage ist sehr dramatisch. Jeder Tag zählt“, warnt der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx. Trotz neuer Impfrekorde sei die Lage in den Kliniken zutiefst besorgniserregend. Es gebe einen ungebremsten und dramatischen Anstieg von Covid-Patienten. Um die dritte Welle zu brechen, müssten die sozialen Kontakte eingeschränkt werden, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Notfalls auch mit nächtlichen Ausgangssperren.
Neuer Rekord bei Impfungen
Dabei hat sich die Zahl der Corona-Impfungen nach dem Einstieg der Hausarztpraxen massiv erhöht. Mittlerweile haben 14,7 Prozent der Deutschen eine erste Impfung erhalten. „In den vergangenen Tagen wurden so viele Menschen geimpft, wie nie zuvor“, sagte Spahn am Freitag. Demnach habe es am Donnerstag mit 719.000 Impfungen einen weiteren Tagesrekord gegeben. Das liegt nicht nur daran, dass die Hausärzte mit eingestiegen sind, es war auch mehr Impfstoff verfügbar.
Das Tempo in den Praxen könnte allerdings bald wieder etwas ins Stocken geraten. Denn die Impfstoffmenge für die Praxen wird Mitte April vorübergehend geringfügig zurückgehen, bevor sie dann stark steigt. Momentan werden die Arztpraxen mit dem Impfstoff von Biontech beliefert. Ab Mitte April werde es etwa zur Hälfte Biontech und zur Hälfte AstraZeneca sein, später auch Johnson & Johnson. Biontech liefere bisher sehr verlässlich und auf den Wochentag genau. Das habe man bei den anderen Herstellern noch nicht erreicht, hier sei teils nur die Lieferwoche bekannt, nicht aber der Tag, so Spahn.
Alle Erwachsenen in Hamburg bis Mitte Juli geimpft
Große Hoffnungen machen die aktuellen Modellrechnungen des Zentralinstituts der Kassenärztlichen Vereinigungen: Demnach sollen alle impfwilligen Erwachsenen in Hamburg bis Anfang Juni ihre erste und bis Mitte Juli ihre zweite Impfung erhalten haben. „Wir gehen davon aus, dass bis spätestens Anfang August alle Erwachsenen ab 18 Jahren geimpft sein werden“, sagt der Sprecher des Zentralinstituts, Daniel Wosnitzka (49). Voraussetzung ist allerdings, dass 80 Prozent der Bürger zu einer Impfung bereit sind, dass die Lieferungen wie zugesagt eintreffen und dass die am Mittwoch in Hamburg gestarteten Impfungen in den Arztpraxen flächendeckend funktionieren.
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Der Hamburger Senat wagt keine Prognosen. „Wir haben konkrete Lieferzusagen bis Ende April. Danach wissen wir nicht, wie viele Impfdosen tatsächlich geliefert werden. Deshalb ist eine zuverlässige Berechnung nicht möglich“, sagt Martin Helfrich. Nach Angaben des Sprechers der Sozialbehörde wurden gestern etwa 6500 Impfdosen im Impfzentrum Messehallen verabreicht – hinzu seien weitere durch mobile Teams, Arztpraxen und Krankenhäuser gekommen. Und die können sich sehen lassen: Bereits am zweiten Tag wurden fast genauso viele Impfdosen in Arztpraxen verabreicht, wie im Impfzentrum. „Die niedergelassenen Ärzte haben am Mittwoch 3500 und gestern 5500 Menschen geimpft“, sagt Walter Plassmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg.
Asklepios-Kliniken dürfen nun auch impfen
Es geht bergauf. Die aktuellsten Zahlen des Robert Koch-Instituts zeigen: Bisher wurden in Hamburg bis einschließlich Mittwoch 355.642 Impfdosen verabreicht. Bei den Erstimpfungen liegt die Quote bei 13,7 Prozent. Eine zweite Dosis haben 5,5 Prozent der Menschen erhalten. Erleichterung dürfte auch die Einbeziehung der Asklepios-Kliniken bringen. Das Unternehmen hat einen Vertrag mit der Stadt unterschrieben und darf in Kürze impfen. Berechtigt sind alle Patientinnen und Patienten in den Bereichen Psychiatrie, Geriatrie, Onkologie und Frührehabilitation.
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Nach wie vor wird das Impf-Tempo durch die knappen Vakzine und Einschränkungen bei der Vergabe von AstraZeneca gebremst. Um Todesfälle und schwere Krankheitsverläufe zu verhindern, will Karl Lauterbach einen Strategiewechsel. Der SPD-Gesundheitsexperte fordert, „so vielen Menschen so schnell wie möglich die Erstimpfung zu geben.“ Dafür müsste der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung auf zwölf Wochen ausgeweitet werden. So hätte bis Juli jeder in Deutschland, der möchte, ein Impfangebot, so der Politiker bei Markus Lanz. Doch die Dosen für die Zweitimpfung werden weiterhin zurückgelegt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den Kurswechsel nicht, weshalb die Regierung bei der derzeitigen Impfstrategie bleibt. Stiko-Chef Thomas Mertens betont, dass die Datenlage für einen Wechsel derzeit noch zu schlecht wäre.