Er wollte einen Räuber stoppen: Der Held, der selbst ein Mörder war
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Neustadt –
Rolf Pohlmann starb durch die Kugel eines Räubers. Mutig hatte sich der 54-Jährige am 17. Oktober 1996 bei einem Juwelenraub am Gänsemarkt einem Verbrecher in den Weg gestellt. Nur zwei Monate später wird ein Verdächtiger gefasst und im Juni 1997 vor Gericht gestellt. Scheinbar ein klarer Fall. Doch das Verfahren nimmt gleich mehrere überraschende Wendungen …
Das Juweliergeschäft, das damals zum Tatort wurde, gibt es heute noch. Der Laden in der Gerhofstraße 40 heißt jetzt „Goldene Zeiten“. Vor 25 Jahren handelt hier Harald Gemp mit Schmuck und Luxusuhren. Der 57-Jährige steht hinterm Tresen, als um 18.25 Uhr ein bewaffneter Mann hereinstürmt. Er fuchtelt mit einer Pistole herum und fordert Geld.
Schließlich greift er selbst in die Kasse und raubt 1000 Mark (500 Euro). Dann bedient sich der etwa 40 Jahre alte Täter in den Auslagen, erbeutet Brillant-Schmuck und eine goldene Cartier-Uhr. Bis dahin läuft alles glatt für den kaltblütigen Verbrecher.
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Doch als er aus dem Laden flüchtet, stellt sich ihm der 28-jährige Sven E. in den Weg. Er hat den Überfall mitbekommen und ringt nun mit dem bewaffneten Täter. Die Wirtin der „Alt Hamburger Bierstuben“ gleich nebenan beobachtet den Kampf, erkennt den Juwelier.
Raub in Hamburg: Passanten wollen helfen – plötzlich fallen Schüsse
Mehrere Gäste springen auf und wollen einschreiten. Unter ihnen auch Rolf Pohlmann. Doch dann fallen Schüsse. Sven E. wird von einem Neun-Millimeter-Geschoss an der Wade getroffen.
Eine zweite Kugel schlägt in eine Schaufensterscheibe ein. Glassplitter treffen den 38-jährigen Armin K., er erleidet Schnittverletzungen am Oberschenkel.
Das dritte Geschoss ist tödlich. Es trifft Rolf Pohlmann in den Bauch. Ein Notarzt kämpft fast eine Stunde lang um das Leben des mutigen Mannes – vergeblich.
Der Todesschütze rennt mit seiner Beute davon, verschwindet zunächst in einem Fußgängertunnel, der zur U-Bahn-Station Gänsemarkt führt. Doch am Valentinskamp kommt er wieder an die Oberfläche. Zwei junge Männer nehmen die Verfolgung auf, verlieren den Räuber aber an der Musikhalle (heute Laeiszhalle) aus den Augen.
Juwelen-Raub in Hamburg: Verdächtiger bei Routinekontrolle gefasst
Die Aufregung in der Stadt nach dieser spektakulären Tat ist groß! Und groß ist auch die Erleichterung, als die Polizei im Dezember einen Verdächtigen präsentieren kann: Bei einer Routinekontrolle im Drogenmilieu war der 34-jährige Stefan E. am 19. Dezember gefasst worden.
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Während der Untersuchungshaft verdichten sich die Hinweise auf seine Täterschaft. Der Kampfsportler und ehemalige Chef der gewalttätigen Jugendgang „Streetboys“ hatte bereits ein Mal getötet: Stefan E. hatte jahrelang in Haft verbracht, weil er 1986 mit einer Baseballkeule einen 23-Jährigen erschlagen hatte. 1987 war er deswegen wegen Totschlags zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden.
Raub in Hamburg: Verdächtiger kurz zuvor wegen „guter Führung“ entlassen
1990 nahm E. an einer Häftlingsrevolte in Santa Fu teil – trotzdem wurde er 1996 wegen „guter Führung“ entlassen. Sieben Wochen später kommt es zum Überfall, bei dem Rolf Pohlmann stirbt.
Im Juni 1997 beginnt vor dem Hamburger Landgericht der Prozess. Stefan E. schweigt zu den Vorwürfen. Das Verfahren endet mit einem Freispruch. Kein Zeuge, auch nicht der überfallene Juwelier, kann Stefan E. klar identifizieren. Faser- und Speichelspuren stammen laut Gutachten nicht vom Angeklagten.
Überfall auf Juwelier Gemp in Hamburg nie aufgeklärt
Und das Verfahren nimmt noch eine zweite überraschende Wendung: Im Laufe der Verhandlung kommt heraus: Rolf Pohlmann, das Opfer, hatte selbst jahrelang im Knast gesessen, weil er 1973 in Geesthacht eine 57-Jährige erdrosselt hatte.
Die kaltblütige Tötung des „Helden, der ein Mörder war“ konnte nie aufgeklärt werden.