Es geht um Mobbing und Überwachung: Zoff um Live-Unterricht aus Hamburger Schule
Quarantäne, Schulschließungen oder Lockdowns könnten dafür sorgen, dass Schüler wieder zu Hause am Laptop lernen müssen. Der Elternrat des Gymnasiums Klosterschule fordert dafür jetzt Live-Streams aus dem Unterricht in Echtzeit für die Kinder zu Hause. Doch es gab dadurch bereits Fälle von Mobbing und die Überwachung wird zum Problem. Ein Streit ist entbrannt.
Der Elternrat der Klosterschule fordert von den Lehrern, über ihren Schatten zu springen: „Es braucht Gewöhnung und Überwindungskraft, Unterricht vor einer Kamera zu geben. Aber wird diese Unterrichtsform im Falle einer Schließung nicht sowieso zum zwingenden Normalfall?“ Deshalb fordern die Eltern schon jetzt einen solchen Hybrid-Unterricht, bei dem die Gruppen aufgeteilt werden und ein Teil der Klasse nicht zur Schule kommt.
Doch die Hemmschwelle dafür ist hoch. Denn das bedeutet für Lehrer, dass sie sich in den sonst vor fremden Augen geschützten Unterricht gucken lassen müssen. Etwa von Eltern, die ihren Kindern über die Schulter sehen.
Und umgekehrt heißt es auch für Familien, dass ihnen quasi in die Wohnzimmer gefilmt wird, je nachdem wo das Kind lernt. Lehrer und andere Eltern sehen, was bei ihnen so im Regal steht oder im Hintergrund gerade passiert.
Den Datenschützern in der Schulbehörde sind auch bereits Beschwerdefälle zu Ohren gekommen, in denen Videos von einzelnen Schülern, die im Unterricht Ausspracheprobleme in Englisch hatten, aufgezeichnet und dann in sozialen Netzwerken oder per Messenger verbreitet worden sind.
GEW Hamburg: Lehrer nicht filmen und ins Netz stellen
„Für uns ist es kein gangbarer Weg, Unterricht zu streamen und ins Netz zu stellen“, sagt Dirk Mescher, Geschäftsführer der Lehrer-Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Lehrer hätten ein Recht am eigenen Bild und es könne etwa dazu kommen, dass kopierte und verfremdete Fotos von ihnen im Internet auftauchten. „Zudem weiß man auch nicht, wer das überhaupt alles sieht.“ Und bei aller guten, vertrauensvollen Zusammenarbeit sei der Unterricht ja auch nicht für die Augen der Eltern gedacht.
Am Gymnasium Eppendorf wird pragmatisch mit Videokonferenzen umgegangen. Es gibt Lehrer, die diese Möglichkeit nutzen, andere tun es nicht. „Es gibt bei Lehrern Vorbehalte und ich kann das auch nicht anordnen“, sagt Schulleiterin Maike Languth. Man könne das nur mit Augenmaß machen und auch nur in bestimmten Lerngruppen. Die Schule hätte auch bereits eine Nettiquette dazu entwickelt.
Gymnasium Eppendorf: Lehrer nutzen Live-Video wegen Corona
Languth: „Wir wissen, dass Eltern wünschen, dass der Unterricht beim Lernen sichtbar ist und der Lehrer auch.“ Darauf gehe man ein. Unterrichtsabschnitte würden jetzt zum Teil als 15-minütiges Live-Video abgehalten und danach gebe es dann wieder andere Aufgaben ohne Bild. Oder es werde eine Live-Schaltung mit einer kleinen Schülergruppe gemacht und nicht mit allen.
Am Gymnasium Eppendorf war es im Sommer zu einem Zwischenfall bei der Nutzung von Zoom in einer Klasse gekommen. Jemand hatte auf das für alle zu Hause sichtbare und nutzbare Whiteboard ein Hakenkreuz gemalt. Die Schulleitung erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Kein Grund für die Schule, sich vom Live-Unterricht zu verabschieden. Languth: „Wir nutzen jetzt aber IServ, darauf können nur Schulinterne zugreifen.“
Elternkammer Hamburg: Uneins bei digitalem Unterricht
Bei der Elternkammer ist Marc Keynejad zurückhaltend mit einer Einschätzung zu Live-Videos vom Unterricht. „Da sind die Hamburger Eltern sicherlich sehr unterschiedlicher Meinung.“ Einige seien für Homeschooling und dann auch für Live-Unterricht per Video. „Andere Eltern sehen das sicherlich als problematisch an.“
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Wie das Homeschooling generell. Nachdem die Elternkammer Anfang der Woche gefordert hatte, Schülern freizustellen, ob sie in der Schule oder zu Hause lernen, erreichte die Kammer eine Flut an wütenden Eltern-Mails.
Hamburger Schulbehörde: Prüfen gesetzliche Änderung
Aus der Schulbehörde heißt es: „Wir prüfen derzeit eine konkrete Rechtsgrundlage, mit der ein Live-Videostreaming unter bestimmten Bedingungen möglich wäre. Im Hinblick auf einen möglichen zukünftigen Hybridunterricht sollen die Schulen gut vorbereitet sein und rechtlich einwandfrei agieren können.“
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar sagt zum Live-Video aus dem Unterricht: „Ein Flickenteppich aus ganz unterschiedlichen Lösungen, teilweise schulintern, teilweise auf der Ebene der Lehrkräfte, die sich für einen kommerziellen Dienst entscheiden, war und ist problematisch.“ Das Hamburger Schulgesetz besage, dass die Behörde diese Dienste zur Verfügung stellen solle. Caspar: „Dieses Ziel wird mit WhatsApp, Zoom und vergleichbaren Anbietern nicht erreicht.“
Datenschutz: Johannes Caspar kritisiert Schulbehörde
Er moniert die fehlende Kooperationsbereitschaft seitens der Schulbehörde: „Unser Schreiben vom 12. Mai 2020 an den Schulsenator, in dem wir auf die Problematik hingewiesen und unsere Beratung angeboten haben, ist bislang leider nicht beantwortet worden. Das ist schade, weil eine schnelle und datenschutzkonforme Lösung der Kommunikation in Schulen gerade in der Corona-Zeit unabdingbar ist.“