Tumult im Gerichtssaal: Hamburger Arzt (80) wegen falscher Masken-Atteste verurteilt
Ein Hamburger Arzt befreit seine Patienten in der Corona-Zeit reihenweise von der Maskenpflicht. Die Atteste stellt er ohne eine Untersuchung aus, wofür ihn das Hamburger Landgericht nun zur Rechenschaft zieht. Im Gerichtssaal kam es bei der Urteilsverkündung zu Tumulten unter den Anhängern des Mediziners. Die Richterin zeigte sich „entsetzt“ über das Verhalten der Zuschauer, die sich während des gesamten Prozesses „absolut respektlos“ verhalten hätten.
Wegen falscher Masken-Atteste während der Corona-Pandemie hat das Landgericht Hamburg einen Arzt für Innere Medizin zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Angeklagt war der 80 Jahre alte Mediziner wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse in 57 Fällen. Er hatte Menschen sogar von der Maskenpflicht befreit, nachdem ihm die Ärztekammer das Ausstellen solcher Masken-Atteste bereits untersagt hatte. „Die Beweisaufnahme hat diese Vorwürfe vollumfänglich bestätigt“, sagte die Vorsitzende Richterin.
Die Atteste aus der Zeit von April 2020 bis September 2021 seien allein deswegen unrichtig gewesen, weil sie ohne vorherige Untersuchung ausgestellt worden seien. Der Angeklagte habe die Bescheinigungen zur Befreiung von der Maskenpflicht zum Teil nur nach telefonischem Kontakt abgegeben. Es sei ein Grundsatz ärztlichen Handelns, dass es ohne Untersuchung keinen Befund geben könne.
Verteidiger fordern Freispruch und fechten Urteil an
Das Gericht untersagte dem Angeklagten, drei Jahre lang Masken-Atteste auszustellen. Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens tragen.
Seine Verteidiger legten noch im Gerichtssaal Revision ein, wie sie anschließend erklärten. Sie hatten Freispruch gefordert. Mit dem Urteil entsprach das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Tumult im Zuschauerbereich
Die rund 60 Zuschauer reagierten mit Empörung und Zwischenrufen auf das Urteil, ein Teil von ihnen verließ den Saal nach der Verkündung des Strafmaßes. Vor dem Beginn der Verhandlung hatten sie eine Schweigeminute eingelegt. Als der Angeklagte den Saal betrat, forderte ein Zuschauer laut Freispruch für ihn, wofür es kräftigen Applaus gab.
Die Vorsitzende Richterin tadelte das Verhalten des Publikums während der 27 Verhandlungstage. Die Zuschauer hätten die Wachtmeister beleidigt und sich „absolut respektlos“ gegenüber dem Gericht verhalten. Sie habe so etwas noch nie erlebt. „Ich bin entsetzt“, sagte die Richterin.
Wegen des Zusammenhangs mit der Corona-Pandemie sei der Prozess ein vermeintlich politisches Verfahren. Es aber nicht um die Aufarbeitung der Pandemie, sondern allein um die Ausstellung von 57 unrichtigen Gesundheitszeugnissen gegangen, betonte die Richterin. Der Angeklagte sei nicht verurteilt worden, weil er eine andere Meinung oder auf der Straße demonstriert habe. „Das muss eine Demokratie aushalten.“ Verurteilt worden sei er, weil er die eigene Haltung über das Recht gestellt habe.
Pandemie verlangte schwierige Entscheidungen
Die demokratischen Verantwortungsträger hätten in der Pandemie neue und sehr schwierige Entscheidungen treffen müssen. Ärzte stünden nicht außerhalb der Rechtsordnung. „Wer gegen geltendes Recht verstößt, der wird bestraft.“
Keine Einsicht gezeigt
Als strafverschärfend wertete die Kammer die Uneinsichtigkeit des Angeklagten. Er habe bis zum Schluss gesagt, dass er alles wieder so machen würde. „Sie sehen sich als Held“, warf die Richterin dem 80-Jährigen vor.
Auf dem Weg zu einer Demonstration nach Leipzig sei er am 7. November 2020 von der Polizei kontrolliert worden. Während der Kontrolle habe er anderen Personen angeboten, ihnen ein Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht auszustellen. Das zeige, dass er die staatlichen Maßnahmen systematisch unterlaufen habe.
Der Mediziner war nach Angaben der Staatsanwaltschaft Leiter der Initiative „Ärzte für Aufklärung“. Die Initiative war in der Corona-Zeit wegen ihrer Kritik an den Schutzmaßnahmen und Warnungen vor einer Zwangsimpfung in Medien scharf angegriffen worden.
Das könnte sie auch interessieren: Palliativarzt soll acht Patienten getötet haben – es könnten noch viel mehr sein
Die Hamburger Ärztekammer hatte sich von der Initiative distanziert. Sie untersagte dem Angeklagten, weiter Masken-Atteste auszustellen und habe ihm ein Zwangsgeld von 1000 Euro angedroht, sagte die Richterin. Darum verhängte die Kammer für die Taten nach diesem Verbot härtere Einzelstrafen. (dpa/mp)