Fast 30.000 Euro: 94-jährige Heimbewohnerin abgezockt
Binnen weniger Wochen sind vom Konto einer 94-jährigen Heimbewohnerin fast 30.000 Euro verschwunden. Als ihr Betreuer Nachforschungen anstellt, führen die Spuren zu einer Mitarbeiterin der Einrichtung. Jetzt muss sich die Frau vor Gericht verantworten. Gegenüber der MOPO erklärt der Anwalt des Opfers, wie er der Verdächtigen auf die Schliche kam.
Insgesamt fehlten auf dem Konto der alten Dame 29.688,88 Euro, davon waren 13.510 Euro in Bar abgehoben worden. Der Rest erfolgte per Einkauf mit EC- und Kreditkarte – die gesamte Summe verschwand binnen drei Wochen im Jahr 2019.
„Ich habe sofort die Karten sperren lassen und den Neffen der Heimbewohnerin angerufen“, erzählt Rechtsanwalt Marc Eichenherr, gerichtlich bestellter Betreuer der Seniorin: „Seine Frau sagte mir, dass das Portemonnaie samt EC- und Kreditkarte in einer Schublade im Zimmer gelegen habe. Und das Schlimmste: inklusive Zettel mit Pin-Nummer.“
Hamburg: 30.000 Euro von Konto abgehoben
In seiner Kanzlei in Bramfeld hat Eichenherr einen dicken Aktenordner zu dem Fall von Frau K. zusammengestellt. „Da hat sich inzwischen ordentlich was angesammelt“, sagt er und blättert durch die Unterlagen. „Bis die Hauptverhandlung endlich anberaumt wurde, hat es länger gedauert, als ich gedacht hätte.“
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Nachdem er Strafanzeige gestellt hatte, wertete die Polizei die Aufnahmen der Überwachungskameras an den Tagen der Bargeld-Abholung aus. Und siehe da: „Auf den Bildern war immer die gleiche Frau gut erkennbar, die von Heim-Mitarbeitern schnell als eine Kollegin identifiziert wurde“, erzählt Eichenherr.
Hamburg: Angeklagte auf Überwachungskameras zu sehen
Der 30-Jährigen wurde gekündigt, allerdings habe sie alles abgestritten. Eichenherr schickte ihr einen Mahnbescheid, später Vollstreckungsbescheid. „Nach der zweiwöchigen Frist kam immer noch keine Antwort – auch kein Einspruch“, so Eichenherr weiter. Dann folgte die Zwangsvollstreckung.
„Auch bei der Gerichtsvollzieherin sagte sie immer nur, das sei sie nicht gewesen. Das macht mich einfach sauer“, sagt Eichenherr. Hätte sie sich entschuldigt und versucht, alles in Raten zurückzuzahlen, hätte er nicht von sich aus Kontakt zur Presse gesucht.
Hamburg: 94-Jährige weiß von dem Prozess nichts
Die 94-jährige Heimbewohnerin weiß von all dem nichts. „Ihr Neffe hat abgelehnt, ihr etwas zu sagen. Das wäre zu viel für sie“, so Eichenherr. „Seit sie im März 2019 in das Heim gekommen ist, hat sie geistig rasch abgebaut, sodass ein derartiges Gespräch nicht mehr möglich ist.“
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Könnte es sich um eine Schenkung der 94-Jährigen an die Angeklagte gehandelt haben? „Das halte ich für ausgeschlossen“, ist der Hamburger Anwalt überzeugt. „Die Angeklagte sagt immer nur, sie habe überhaupt nichts damit zu tun. Wenn es eine Schenkung wäre, müsste sie das nicht leugnen.“
Hamburg: Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben
Eichenherr ist derzeit als Berufsbetreuer für 27 Menschen verantwortlich. Fälle wie hier von Frau K. kommen in seiner Erfahrung nur sehr selten vor. „Das ist eine absolute Ausnahme, in den Heimen wird sehr gute Arbeit geleistet“, betont er. Aber es sei eben auch kein Einzelfall: „Manche Taten werden zu spät entdeckt, dann kann kein Verdächtiger mehr ermittelt werden.“
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Eichenherr hofft, dass die Angeklagte eine Bewährungsstrafe inklusive Zahlungsauflage bekommt. „Das heißt, sie müsste jeden Monat etwas zurückzahlen.“ Die Staatsanwaltschaft bestätigt auf MOPO-Nachfrage den Anklagevorwurf: „Diebstahl und gewerbsmäßiger Computerbetrug in mehreren Fällen.“ Der Prozess beginnt am 3. Dezember.