Stadthaus
  • Im Stadthaus, das jetzt Stadthöfe heißt und von Quantum in ein Luxusquartier umgewandelt wurde, saß bis 1943 die Gestapo.
  • Foto: Florian Quandt

Folterkeller der Gestapo: Sorgen um die NS-Gedenkstätte im Stadthaus

Wirrwarr um den „Lesesaal“, eine Buchhandlung in den sogenannten Stadthöfen. Es gibt Gerüchte, dass der Laden demnächst schließt. Gegenüber der MOPO hat ein Mitarbeiter des Buchladens das gestern bestätigt. Inhaberin Stephanie Krawehl war zu diesem Zeitpunkt nicht da. Später erreichte die MOPO sie direkt: „Ich will dazu nichts sagen. Das ist noch nicht offiziell“, so ihre Stellungnahme. Wann es denn offiziell wird? „Da werden gerade Gespräche geführt.“

Dass ein Geschäft aufgibt, ist bedauerlich aber an und für sich kein Grund, darüber Artikel zu schreiben. In diesem Fall ist das anders: Denn es geht um genau die Buchhandlung, in der sich auch die Gedenkstätte für die NS-Opfer befindet, die im Stadthaus, dem einstigen Folterkeller der Gestapo, gequält wurden. Die Frage ist: Was wird aus dieser Gedenkstätte, falls es den Buchladen nicht mehr gibt?

Wegen Corona: Angeblich will die Buchhandlung „Lesesaal“ schließen

Buchhändlerin Stephanie Krawehl gibt ihren Laden auf. Hier zusammen mit Oliver Gies, der die Ausstellung zur Geschichte des Stadthauses zusammengestellt hat. Schimkus
Buchhandlung
Buchhändlerin Stephanie Krawehl. Hier zusammen mit Oliver Gies, der die Ausstellung zur Geschichte des Stadthauses zusammengestellt hat.

Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, bestätigte der MOPO, dass man mit Stephanie Krawehl und den Eigentümern der Immobilie – der Ärzte-Versorgung Niedersachsen – in Kontakt sei. Isermann wörtlich: „Die Stadt erwartet, dass ein dauerhafter Betrieb des Gedenkortes gewährleistet ist. Die erinnerungskulturelle Arbeit am Stadthaus muss in jedem Fall weiterentwickelt werden.“

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Von Anfang an war das ganze Konzept eines „Dreiklangs aus Gedenkort, Buchhandlung und Lesecafé“ höchst umstritten. Verfolgtenverbände und namhafte Historiker übten scharfe Kritik daran. Von Dilettantismus war die Rede. Von Würdelosigkeit. Ja, von „Kommerzialisierung der Gedenkkultur“. Die Erinnerung an Nazi-Verbrechen wachzuhalten, sei Aufgabe des Staates und nicht privater Firmen. Immer wieder wurde von den Kritikern die Frage gestellt: Was wird sein, wenn irgendwann die Buchhandlung schließt? Ist dann auch die Gedenkstätte erledigt? Oder muss sie sich anschließend den Raum mit einem Möbel-Laden oder einer Döner-Bude teilen?

„Das wäre der Zeitpunkt, Fehler der Vergangenheit auszubügeln“

Sollte die Buchhandlung wirklich aufgeben, kann das auch Sicht von Wolfgang Kopitzsch, Historiker und Ex-Polizeipräsident, auch eine große Chance sein. Kopitzsch, der Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten (AvS) ist: „Wenn jetzt der Hauseigentümer endlich seinen Verpflichtungen nachkommt und die komplette Fläche zur Verfügung stellt, wäre die Gelegenheit da, eine würdige Ausstellung aufzubauen.“

Scharfer Kritiker der Kombination Buchhandlung/Gedenkstätte: Ex-Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch. Olaf Wunder
Stadthaus
Scharfer Kritiker der Kombination Buchhandlung/Gedenkstätte: Ex-Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch.

Norbert Hackbusch von den Linken sieht es ähnlich: „Positiv gewendet ist dies der Moment, Fehler der Vergangenheit ein Stück weit auszubügeln. Nachdem der Senat den Gedenkauftrag in private Hände gegeben hat, erwarten wir, dass er sich die Verantwortung zurückholt: Jetzt hat er die Chance auf der gesamten Fläche einen öffentlich betriebenen Dokumentations- und Erinnerungsort einzurichten. Zusammen mit den Verbänden!“

Verfolgtenverbände kritisierten: „Privatisierung der Gedenkkultur“

Zur Erinnerung: Das Stadthaus, in dem sich während NS-Zeit die Gestapo-Zentrale befand, wurde 2009 vom CDU-Senat verkauft: Die Bauentwicklungsfirma „Quantum“ bekam den Zuschlag, und zwar unter der Bedingung, dass sie auf eigene Kosten eine „würdige Gedenkstätte“ schafft. Dafür vorgesehen waren ursprünglich 1000 Quadratmeter.

Blick in die Ausstellung: Im Stadthaus wurden auch die Deportationen der Hamburger Juden vorbereitet. Schimkus
Stadthaus
Blick in die Ausstellung: Im Stadthaus wurden auch die Deportationen der Hamburger Juden vorbereitet.

Doch die Fläche in dem Gebäudekomplex, der jetzt „Stadthöfe“ heißt, schrumpfte: auf schließlich 300 Quadratmeter, die sich die Gedenkstätte jetzt ​​​​​​​mit Buchladen und Café teilen muss. Weil sich Buchhändlerin Stephanie Krawehl außer um ihr Geschäft auch noch um die Gedenkstätte kümmert, die auf rund 70 Quadratmetern untergebracht ist, fallen dafür Personalkosten nicht an. Im Gegenzug erhielt sie die Fläche für eine unschlagbar günstige Miete von einem Euro pro Quadratmeter.

Eine billige Lösung. Aber auch eine gute und würdevolle?

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