„Es fehlt der Regierung in dieser Krise an jeder politischen Vision, hinter der sich die Menschen versammeln können“, sagt FFF-Sprecherin Annika Rittmann.
  • „Es fehlt der Regierung in dieser Krise an jeder politischen Vision, hinter der sich die Menschen versammeln können“, sagt FFF-Sprecherin Annika Rittmann.
  • Foto: dpa/Christoph Soeder

„Manche Politiker legitimieren den Hass“: Klima-Aktivistin über den Sinn der Proteste

Am Freitag ruft „Fridays for Future“ (FFF) nach längerer Pause mal wieder zum großen „Klima-Streik“ in der City auf. Mit Herbert Grönemeyer und Silbermond werden bekannte Künstler auftreten, 10.000 Menschen werden erwartet. Die MOPO sprach mit der Hamburger FFF-Sprecherin Annika Rittmann (21) über den Sinn solcher Aktionen und den Frust angesichts gesellschaftlicher Spaltung und zäher Prozesse.

MOPO: Können Sie noch, Frau Rittmann?

Annika Rittmann: Ja, schon. Wieso?

Nach einem Sommer voller Extrem-Wetterereignisse, zäher politischer Debatten und fortschreitender Polarisierung wäre es nicht überraschend, wenn Sie da resignieren würden. Bringen denn diese Aufmärsche überhaupt noch etwas?

Es stimmt, nach der Hälfte der Ampel-Legislatur und der kindischen Debattenführung der FDP um das Heizungsgesetz sind viele Menschen supermüde – auch bezüglich Klimaschutz. Doch das ist genau das Gegenteil von dem, was gerade gebraucht wird. Es fehlt der Regierung in dieser Krise an jeder politischen Vision, hinter der sich die Menschen versammeln können. Und deswegen ist es umso wichtiger, mit dem Klimastreik diesen Ort zu schaffen, an dem Leute zusammenkommen und gemeinsam einen Umgang damit finden können. Und Energie. Und Hoffnung.

FFF-Sprecherin Annika Rittmann: „Der Klimastreik war immer auch ein Ort, um zusammenzukommen und sich zu stützen.“ dpa | Marcus Brandt
FFF-Sprecherin Annika Rittmann: „Der Klimastreik war immer auch ein Ort, um zusammenzukommen und sich zu stützen.“
FFF-Sprecherin Annika Rittmann: „Der Klimastreik war immer auch ein Ort, um zusammenzukommen und sich zu stützen.“

Das heißt, der Klimastreik soll eher therapeutisch nach innen wirken, als ein Zeichen nach außen zu setzen? Das wäre ja ein neuer Ansatz.

Der Klimastreik war immer auch ein Ort, um zusammenzukommen und sich zu stützen. Aktiv werden hilft gegen das Gefühl der Hilflosigkeit. Und gleichzeitig geht es natürlich darum, weiter sichtbar zu machen, dass Mehrheiten für eine progressive Klimapolitik da sind und dass die Menschen Veränderungen wollen und auch, dass die Veränderungen sozial umgesetzt werden müssen. 

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Was fordern Sie?

Dass das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimageld endlich umgesetzt wird und weitere soziale Ausgleichsmechanismen gebaut werden. Dafür ist aktuell kein Geld vorgesehen. Allein aus bürokratischen Gründen könnte es frühestens 2025 kommen. Das kann nicht sein! Und deshalb rufen wir mit Verdi und dem „Paritätischen“ gemeinsam zu dieser Demo auf.

Ist die soziale Kernbotschaft auch Ergebnis eines Lerneffekts aus den sehr wütenden Debatten der vergangenen Monate? Viele Menschen winken bei dem Thema ja sofort ab, weil sie es nur als Belastung für sich sehen.

2019 mussten wir um jede Klima-Schlagzeile kämpfen. Inzwischen hat sich da die Debatte verbreitert. Es ist auch unsere Aufgabe, einerseits auf die großen Linien zu pochen und andererseits darauf zu achten, dass das Ganze sozial gerecht passiert, damit es am Ende die Ungerechtigkeiten nicht größer macht.

Aktivistinnen der „Letzten Generation“ bei einer Blockade in Hamburg. (Archivbild) IMAGO / aal.photo
Aktivisten der Letzten Generation
Aktivisten der „Letzten Generation“ bei einer versuchten Blockade in Hamburg Mitte Juni. (Archivbild)

Die gesellschaftliche Polarisierung geht auch bei uns weiter voran, getrieben zum Teil auch von der Politik. Haben Anfeindungen gegen Sie zugenommen?

Die Art und Weise, wie Politiker:innen über Klimaschutz-Aktionen sprechen, ist extrem problematisch, weil sie den Diskurs legitimiert, der in Hass ausartet. Gleichzeitig ist es für uns schön zu sehen, dass wir nach wie vor superviel Zuspruch erleben und dass nach wie vor jede Woche neue Menschen dazukommen. Zum Beispiel ist die evangelische Kirche dabei. Wir waren in vielen Schulen unterwegs und haben Klima und Engagement dorthin gebracht. Es gibt auch eine gesellschaftliche Bewegung in die richtige Richtung.

Die „Letzte Generation“ ist heute auch dabei?

Es kommen Hunderte Organisationen mit uns auf die Straße, im ganzen Land schließen sich Menschen an und werden gemeinsam laut. Natürlich sind Menschen, die sich ansonsten bei der „Letzten Generation“ organisieren, auch eingeladen.

Hat Ihnen das zugesetzt? Der ganze Wirbel um die „Klima-Kleber“?

Wir erleben natürlich den Frust, den die Menschen haben, die im Stau stehen, den sie sich nicht ausgesucht haben und den sie auch nicht vermeiden können. Beispiel Köhlbrandbrücke und fehlende ÖPNV-Alternativen. Das ist Frust, den wir nachvollziehen können. Wir sagen aber gleichzeitig: Dann setzt euch mit uns für Politik ein, die etwas gegen die Klimakrise unternimmt, kommt mit uns auf die Straße. 

Sänger Herbert Grönemeyer wird beim FFF-Protest am Freitag in Hamburg auf dem Jungfernstieg auftreten und ein Gratis-Konzert spielen. (Archivbild) dpa, Axel Heimken
Sänger Herbert Grönemeyer wird beim FFF-Protest am Freitag in Hamburg auftreten und ein Gratis-Konzert spielen. (Archivbild)
Sänger Herbert Grönemeyer wird beim FFF-Protest am Freitag in Hamburg auf dem Jungfernstieg auftreten und ein Gratis-Konzert spielen. (Archivbild)

Wie bewerten Sie den Senat in Sachen Klimaschutz?

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz wird ein relevantes Zwischenziel 2030 gesetzt und gleichzeitig merkt man, dass dem Senat ein umfassender Plan fehlt, wie diese Ziele eingehalten werden. Wie viel CO2 wird bis dahin tatsächlich emittiert? Wie sieht der Reduktionspfad aus? Alles offene Fragen. Und in Hamburg erlebt man teilweise gerade von der SPD schon eine irritierende Wahlkampfstimmung, die absolut unangebracht ist mitten in der Legislatur, wo es eine Regierung braucht, die den Menschen Sicherheit gibt. Und das Gefühl, dass sie sich mit ihren Investitionen und Planungen auf die Gesetze der Regierung verlassen können.

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Haben Sie Herbert Grönemeyer gefragt, ob er beim Klimastreik singen kann, oder hat er sich angeboten?

Er hat sich in der Vergangenheit oft zu Klimaschutz geäußert und wir haben ihn, wie andere Künstler:innen auch, gefragt, ob er sich vorstellen kann, in Hamburg auf dem Klimastreik zu spielen. Und sind sehr dankbar, dass er ja gesagt hat. Das sendet ein Zeichen in die Gesellschaft und bringt Menschen und Generationen zusammen.

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