Gefangen an Bord: Seeleute in der Corona-Falle
Seeleute sind in der Regel neun Monate an Bord eines Frachtschiffes im Einsatz. In Zeiten der Pandemie aber dauert der Einsatz oft viel länger. Noch nicht mal ein Landgang zwischendurch ist für manche drin.
„Land in Sicht“ hieß es für die Seeleute von den Philippinen. Ihre Ankunft feierten sie ausgiebig bei Pizza und Rotwein im Bremerhavener Seemannsclub „Welcome“. Drei Monate verharrten die Männer auf hoher See – seit der Corona-Pandemie keine Seltenheit.
Verdi-Gewerkschaftssekretärin Susana Ventura erzählt von Reedereien, die den Schiffsbesatzungen verbieten, an Land zu gehen – aus Angst, dass sie das Coronavirus an Bord bringen. „Das ist nicht akzeptabel und rechtlich fragwürdig“, betont Ventura. Wo der Zugang von Seiten des Landes erlaubt sei, müsse er auch gewährt werden. Dabei sei es auch für die psychische Gesundheit wichtig, mal etwas anderes zu sehen als nur die Kollegen und das Schiff, sagt Diakonin Antje Zeller.
Psychische und medizinische Versorgung an Bord nicht möglich
Dabei gehe es bei den Landgängen nicht nur um die seelische Gesundheit der Seeleute, betont Bianca Frömming, Vizepräsidentin des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere: „Die medizinische Versorgung ist überhaupt nicht mehr gewährleistet, wenn sie nicht von Bord gehen können und kein Arzt an Bord darf.“
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Erschwerend komme hinzu, dass die Seeleute wegen der Pandemie weiterhin länger als vertraglich vereinbart an Bord bleiben, weil der Crew-Wechsel nicht klappt. In Ausnahmesituationen dürfen Seeleute nach dem Seearbeitsübereinkommen maximal elf Monate an Bord bleiben. „Ein ehemaliger Kollege war 20 Monate an Bord“, sagt Frömming. Das sei durchaus kein Einzelfall.
„Jeder Kontakt nach außen ist eine Gefahr“
Die Hamburger Reederei Hapag Lloyd hält trotz Impfung nichts von Landgang-Verboten. Sie empfiehlt ihren Crews, in den Häfen auf ihren Schiffen zu bleiben. „Jeder Kontakt nach außen ist eine Gefahr“, sagt Sprecher Nils Haupt. Es werde auch niemand Fremdes an Bord gelassen. Die Kapitäne seien angehalten, ihre Besatzungen bei Laune zu halten – mit Musik, Spanferkel vom Grill oder auch einem Fußballturnier. Auch einen Kiosk gebe es an Bord.
Forderung: Seeleute sollen systemrelevant sein
Die Situation sei aktuell allerdings nicht mehr so schlimm wie im Corona-Jahr 2020, sagt Gewerkschaftssekretärin Susana Ventura. Dennoch fordern Gewerkschaften ebenso wie Reedereien, dass Seeleute als systemrelevante Beschäftigte unter den gleichen Bedingungen von und zu ihren Arbeitseinsätzen gelangten – unabhängig von ihrer Nationalität. (dpa/lm)